Was der Wilde See mit Mammuts zu tun hat

07.05.2020 von Oliver Gewald in Kategorie : Blog
  • Vor etwa 12.000 Jahren sah die Natur im Nationalpark Schwarzwald noch ganz anders aus. Wir wagen eine Zeitreise.

     

    Mitten im Nationalpark Schwarzwald verbirgt sich eine kleine Zeitkapsel. Sie versteckt sich an einer der beliebtesten Stellen im Park: am Euting-Grab. Wegen des atemberaubenden Ausblicks ist der sogenannte Wildseeblick auch ein beliebtes Fotomotiv. Beim Blick über den weit unter dem Betrachter liegenden, kreisrunden Wilden See hinweg auf die Gipfel des Schwarzwaldes wirkt alles idyllisch. Die Blumen blühen, Bienen, Hummeln und andere kleine Insekten schwirren und krabbeln umher. Doch vor nicht allzu langer Zeit – vor etwa 12.000 Jahren um genau zu sein – floss hier noch eine dicke Eisschicht das Tal hinunter und formte diesen wunderbaren Ausblick. Heute ist das kaum vorstellbar.

     

    Im Nationalpark Schwarzwald gibt es jemanden, der sich mit dieser Entwicklung ganz genau auseinandergesetzt hat: Sönke Birk ist im Fachbereich 26 für Geodatenmanagement und Fernerkundung zuständig – kurz: er wertet alle möglichen Daten aus dem Park aus. „Ich habe mich schon immer für die Erde und die Natur interessiert – warum sehen die Berge so aus, wie sie heute aussehen? Das finde ich besonders spannend.“ Und so ist für ihn natürlich auch die letzte Eiszeit interessant.

     

    Eine riesige Eisdecke

    Wer verstehen möchte, wie die Natur hier am Wildseeblick und an allen anderen der sogenannten Kare im Schwarzwald ihr heutiges Gesicht bekommen hat, muss zunächst einen Blick in die letzte Eiszeit werfen – die eigentlich gar keine war. Sönke Birk: „Eine Eiszeit dauert eigentlich viel länger. Wir sprechen hier eher von einer Kaltzeit, die etwa 90.000 Jahre lang ging.“ Ein ganzes Eiszeitalter dauert hingegen mehrere Millionen Jahre. Streng genommen befinden wir uns sogar derzeit in einer dieser Kälteperioden – schließlich sind einige Teile der Erde noch immer mit Eis bedeckt. In dieser Zeit wechseln sich dann wärmere und kältere Phasen ab.
    In der letzten Kaltzeit lag die Schneefallgrenze das ganze Jahr über bei 800 Metern Höhe. „Alles, was oberhalb dieser 800 Meter an Schnee gefallen ist, blieb über Jahre hinweg auch liegen. Das hat die ganze Masse zusammengedrückt, wodurch die Luft aus dem Schnee gepresst wurde. Dadurch bildete sich Eis“, erklärt Sönke Birk. „Dort, wo genügend Druck entstand, nutzte das Eis jedes kleine Gefälle und fing an, abzurutschen.“ So seien dann schlussendlich die Kare, also die steil abfallenden Wände mit den kreisrunden Kuhlen am unteren Ende, entstanden.

     

    In den Tälern regierten die Tiere

    Während oberhalb dieser 800-Meter-Marke die Gletscher das Landschaftsbild prägten, waren in den Tälern einige Tiere heimisch, die man heute nur noch aus Zeichentrickfilmen wie „Ice Age“ kennt. „Das bekannteste Beispiel ist das Mammut. Aber es gab auch andere große Säugetiere wie den Riesenhirsch oder das Wollnashorn, das ungefähr drei Mal so groß war wie die heutigen Nashörner.“ Und dann gab es da natürlich noch den berüchtigten Säbelzahntiger: Auch dieser soll in den Tälern sein Unwesen getrieben haben. „Die Tiere haben sich größtenteils im Rheintal aufgehalten. Damals war das Gebiet noch nicht so bewaldet wie heute – in diesen großen Freilandbereichen haben die Tiere ausreichend zu fressen gefunden“, beschreibt Sönke Birk die Natur, wie sie damals in den Tälern ausgesehen hat. Der Unterschied zum heutigen Schwarzwald war aber nicht nur in der Rheinebene sichtbar – auch die Gletscher in den Bergen sahen anders aus, als man es sich zunächst vorstellt: „Es hat nicht so ausgesehen, wie wir es heute aus den Alpen kennen“, so Birk. „Die Berggipfel haben nicht rausgeschaut – vielmehr lag auf der Hornisgrinde und dem Schliffkopf eine große Eisplatte.“ Das führte zu der heutigen Form der Gipfel – sie sind eher rund und flach und haben keine klare Spitze.

     

    Wie die Kare entstanden sind

    Von diesen Höhenebenen aus bahnten sich die Eismassen dann also ihren Weg in die Täler. Ihren Untergrund schoben sie nach und nach weg. Durch am Grund festgefrorene Steine wirkte der Gletscher dabei wie ein gigantischer Hobel: „Die größte Hobelkraft hat ein Gletscher immer an den Stellen, an denen das Eis am dicksten und damit am schwersten ist – also zum Beispiel in kleinen Mulden. Dort ist der Druck auf den Untergrund am größten.“ Das sorgte dafür, dass Vertiefungen, die schon vor dem Abrutschen der Gletscher vorhanden waren, immer tiefer wurden. An den Karschwellen, also dem Endausläufer des Kars, wirkte die Kraft nicht so stark, da hier das Eis schon zu schmelzen begann. Dadurch entstand die Hohlform der Karseen, deren Anblick uns heute, oft mit spiegelglatt daliegendem, dunklem Wasser gefüllt, inmitten der heutigen Waldlandschaft verzaubern.

     

    Infografik: So entsteht ein Karsee

    Denn genau diese Kräfte haben das geformt, was Besucher heute am Buhlbachsee, am Huzenbacher See und natürlich am Wilden See sehen können. 66 Kare sind im ganzen Nordschwarzwald nachgewiesen. Ganz allein der Natur zu verdanken haben wir den heutigen Ausblick jedoch nicht: Auch der Mensch hat über die Jahre Hand angelegt. Dennoch ist der Anblick des Wilden Sees für Sönke Birk ein Paradebeispiel für einen Kar: „Wenn man oben am Euting-Grab steht und in Richtung des Wilden Sees schaut, sieht man die klassische Form eines Kars. Auch der See ist schön rund.“ Für Sönke Birk stellt sich die Frage, wie dieser Ausblick wohl in weiteren zehntausend Jahren aussehen wird: „Wenn man mal genau hinschaut, sieht man auch heute, dass sich immer noch wahnsinnig viel verändert. Das ist eine hochspannende Sache“, erklärt er. Eines ist also sicher: Die Natur im Schwarzwald steht nie still.

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    Oliver Gewald

    Bloggt im Auftrag von Kresse & Discher für den Nationalpark Schwarzwald.


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