Wettlauf mit der Zeit: Zwischen Baum und Borke(nkäfer)

05.06.2020 von Dennis Müller in Kategorie : Blog
  • Für die einen ein Schreckgespenst, für die anderen schlicht Bestandteil der Natur – das ist der Borkenkäfer im und um den Nationalpark. Schreckgespenst für Wirtschaftswälder, weil die kleinen Tierchen massive Einbußen bei der Holzernte verursachen können. Bestandteil des Prozesses einer natürlichen Waldentwicklung, da die Spezies neue Lebensräume für viele andere Tierarten schafft. Die Arbeitsgruppe „Borkenkäfer“ des Nationalparks Schwarzwald (NLP) untersucht die Insekten schon seit Jahren. Mit dabei: NLP-Gebietsleiter Dieter Dreher und Dr. Markus Kautz von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in Freiburg (FVA). Sie verraten hier, wie Borkenkäfermanagement und die wissenschaftliche Beobachtung, das Monitoring, zusammenwirken.

     „Buchdrucker“ oder „Kupferstecher“ – der heimische Fichtenborkenkäfer ist mit seinen zahlreichen Arten unter vielen Namen bekannt. Und meist hat er einen schlechten Ruf. Seit nunmehr 100 Jahren erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Wesen und Wirken der vier bis fünf Millimeter kleinen Krabbler. Und trotzdem gibt es noch viele Fragezeichen. Markus Kautz: „Gerade das Unbekannte macht es ja so spannend. Wir lernen Woche für Woche viel Neues über die Käfer. Künftig werden wir etwa ermitteln können, ob und wie Borkenkäfer von wärmer werdenden Wintern profitieren. Und auch, wie ihre Brutstrategien innerhalb einer Population aussehen.“ Für diese und viele weitere Aspekte sammelt die Arbeitsgruppe kontinuierlich Daten. Ihre Mission: Den Befall angrenzender Wirtschaftswälder vermeiden, den Borkenkäfer aber zugleich in den Kernzonen des Nationalparks in Ruhe zu lassen – denn hier gilt das Motto, „Natur Natur sein lassen“. Bleibt die Frage: Wie gelingt dieser Spagat?

    Vom ersten Befall bis zum Sägewerk

    Mitte bis Ende April beginnt im Nationalpark der große Schwärmflug. Dann suchen die Buchdrucker – und 26 weitere Borkenkäferarten – vor allem Fichten auf, die älter als 40 Jahre sind. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Nationalparks, die im Borkenkäfermanagement mitwirken, beginnt nun die heiße Phase. Es gilt, die vom Borkenkäfer befallenen Bäume zu finden und die gefundenen Brutstätten möglichst zeitnah zu eliminieren. Doch wie funktioniert das überhaupt angesichts von bis zu 100.000 Nachkommen pro Jahr und Käferweibchen?  Dieter Dreher erklärt: „Für unser intensives Borkenkäfermanagement gibt es einen etwa 500 Meter breiten Pufferstreifen im und rund um den Nationalpark – Teile des Pufferstreifens liegen auf dem Gebiet des Nationalparks, andere Teile auf der Fläche der angrenzenden, zumeist staatlichen Wälder. Dieser Puffer dient dazu, die großen Käferschwärme kontrolliert abzufangen und so benachbarte Wirtschaftswälder zu schützen.“ Um das zu schaffen, wurde der gesamte Pufferstreifen in Claims unterteilt, die regelmäßig auf Borkenkäferbefall kontrolliert werden – ein Wettlauf gegen die Zeit.

    Waldarbeiter durchstreifen und kontrollieren zunächst regelmäßig ihre Zuständigkeitsbereiche. Dabei nehmen sie auffällige Bäume genauer unter die Lupe und achten auf typische frühe Befallsmerkmale wie Bohrmehl oder Harzausfluss. Ist ein Baum betroffen, wird er markiert und die genauen GPS-Koordinaten sowie weitere Informationen aufgezeichnet. Alles geschieht in Echtzeit und mit nur wenigen Klicks auf den Tablets, die hierfür im Einsatz sind. Dreher weiter: „Hierdurch ermöglichen wir die zeitnahe Fällung und den Abtransport des Käferholzes, noch bevor die Brut im Baum ausfliegen kann.“ Der dreiteilige Prozess aus Kontrolle, Fällung und Abtransport müsse in einem engen Zeitrahmen erfolgen und sei so effizient wie möglich gestaltet, so Dreher.

    Wer nun dachte, dies seien bereits alle Bereiche des Borkenkäfermanagements – weit gefehlt! Denn parallel zu den GPS-Informationen aus dem Pufferstreifen erfassen die Mitarbeiter des Teams wöchentlich auch Daten wie die Käferaktivität in Lockstofffallen, die an unterschiedlichen Standorten installiert wurden. Auch der relative Anteil von Jungkäfern oder die Käferentwicklung unter der Rinde von Brutbäumen werden erfasst. Populationsmonitoring, also Beobachtung des Käferaufkommens, heißt dieser Bereich des Borkenkäfermanagements. Zweifelsohne eine Tätigkeit mit Liebe zum Detail.

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    Von den Fallendaten zum Newsletter

    Die erhobenen Werte wandern in der Folge direkt zu Dr. Markus Kautz in die FVA. Zumeist dienstags. Der extrahiert sie und überträgt alles in eine Datenbank zur finalen Auswertung und Interpretation. Das Resultat der Mühen? Der offizielle BORKENKÄFER-NEWSLETTER, der auch auf der NLP-Webseite zu finden ist. „Der Newsletter enthält wichtige, wöchentliche Empfehlungen für das Borkenkäfermanagement. Er ist für NLP-Mitarbeiter, Anrainer und sonstige Interessierte gleichermaßen bestell- und einsehbar. Das ist sehr wichtig, um Transparenz und damit auch Akzeptanz für die Arbeit des NLP bei Akteuren der Forstwirtschaft zu erzeugen“, so Kautz. Auch Dreher sieht in der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren des Nationalparks sowie der FVA nur Positives: „Die Freiburger Kollegen fassen unsere Rohdaten zusammen und liefern wertvolle Übersichten zur aktuellen Lage und generellen Entwicklung über die Zeit. Das hilft uns enorm bei der Ableitung geeigneter Maßnahmen im Borkenkäfermanagement. Schließlich bleibt eine Kernessenz unserer Arbeit, den wirtschaftlichen Schaden durch die Käfer nach außen zu begrenzen. Und die letzten Jahre haben gezeigt, dass das der richtige Weg ist.“

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    Dennis Müller

    Bloggt im Auftrag von Kresse & Discher für den Nationalpark Schwarzwald.

     

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