Von Plastik-Aas und Zellstoff-Leichen

02.09.2022 von Franziska Lemoine in Kategorie : Blog
  • Wie viel Müll sich an den Wegrändern und auf den Parkplätzen im Nationalpark Schwarzwald im Laufe der Sommersaison so ansammelt, ist bemerkenswert. Sowohl die Menge als auch die Vielfalt: Die vom Menschen hinterlassenen Spuren sind nicht zu übersehen und werden viel zu häufig einfach ignoriert. Ein Erfahrungsbericht.

    Welche pädagogische Strömung ermuntert Eltern, ihren Kindern den Unsinn von Mülleimern nahezubringen? Sagen die in sanft-motivierendem Ton Sätze wie: "Lass das Bonbonpapier neben die Tonne fallen, Schatz, ja, genau, da auf die Wiese. Toll gemacht!"

    Oder wer hat die Initiative "Schont die Deponie - lagert Sperrmüll im Wald!" gegründet, die immer wieder mit größeren Aktionen von sich reden macht?

    Auch muss es eine besondere Strömung sozialen Engagaments geben, mit der Parole: "Wenn wir nicht gemeinsam für Müll auf den Straßen sorgen, verlieren Straßenreinigungskräfte ihren Arbeitsplatz! Schmeißt hin den Dreck!"

    Und wo kann ich Mitglied werden im Verein "Nach mir die Sintflut?"

    Das muss ein ziemlich großer Verein mit sehr viel ehrenamtlich Engagierten sein, denke ich so bei mir - während ich einen weiteren Müllklumpen aufsammle und mich bereits die nächste übelriechende Überraschung, halb vergraben im Waldboden, im Sonnenlicht dieses schönen Tages anblinkt. Spaß geht anders, aber lehrreich ist es: Ich mache heute bei einer freiwilligen Müllsammelaktion des Nationalparkteams mit - auch, weil ich ansonsten im Nationalpark vorwiegend am Schreibtisch arbeite und die Gelegenheit, in der Pause rauszugehen, gerne nutze. Doch viel Naturgenuss bleibt heute nicht angesichts der kotbeschmierten Papierlumpen, durchweichten Kippen und scharfkantigen Glas- und Plastikreste, die es aufzusammeln gilt.

    Schwer verdaulich, ästhetisch fragwürdig: Kunst-Stoff

    Ich selbst bin ein Kind der 80er Jahre, als die Kunststoff-Verehrung auf einem Höhepunkt war. Loriot ließ im Film Ödipussi auf der Firmenfeier der Firma Kunststoff Meyer das Lied "Meine Schwester heißt Polyester - die lutscht nun schon bald neun Jahre immer denselben gelben Plastikbonbon! Das ist eben Spitzenware!" schmettern. Das mag er Ende der 80er Jahre, als der Film erschien, bereits halb ironisch gemeint haben. Nichtsdestotrotz wurde und wird bei Kunststoffprodukten von der Plastiktüte bis hin zur Outdoorkleidung bis heute vor allem die Langlebigkeit oder die Wasserdichte gefeiert; nicht so sehr Abbaubarkeit oder Recyclingfähigkeit.

    Dass Plastik sich nicht sonderlich gut in Nichts auflöst, das wissen heute natürlich schon sehr viele Menschen und handeln sorgsamer. Bei anderen Produkten wie Wegwerf-Taschentüchern hingegen halten sich die Gerüchte eines vermeintlichen Naturproduktes: Ein Papiertaschentuch ist für viele Menschen ein Baum in zerfaserter Form. Sodass man es ruhigen Gewissens nach der Benutzung auch dem Wald wieder überlassen kann. Die Umbenennung von Wegwerf- in Einweg-Produkte macht die Sache übrigens auch nicht besser. Der eine Weg von Einweg führt für viele Menschen offensichtlich noch immer nicht in den Abfalleimer oder die Recyclingtonne - sondern in die Natur.

    Diese Gedanken kommen auf, nachdem ich eine zerbrochene Glasflasche, mehrere Kronkorken, Kondome, unzählige Zigarettenkippen und einen (richtig!) Einweg-Grill gefunden habe, die oft nur wenige Meter vom nächsten Mülleimer entfernt im Gras, auf dem Parkplatz oder mitten auf den Weiden der Tiere liegen gelassen wurden. Andere Kolleginnen und Kollegen finden weiter im Wald auch Autoreifen, Spielzeug und ganze Säcke voller Hausmüll. Mal davon abgesehen, dass es Wild- und Weidetieren wenig zuträglich ist, wenn menschlicher Müll ihren Speiseplan bereichert: Ich kann mir nicht vorstellen, dass selbst diejenigen, die die Natur als Mülleimer missbrauchen, das schön finden, wenn sie anderer Leute Müll rumliegen sehen.

    Und dann muss ich wirklich lachen. Auf dem Parkplatz, dessen Ränder ich gerade entmülle, steht eine Bank. Auf der kann man das herrliche Panorama von den Schwarzwaldhöhen genießen, wenn man den Blick weit genug vom vermüllten Boden hebt. Neben der Bank ein Schild der Baiersbronn Touristik:

    Ich denke nicht, dass wirklich alle, die hier ihren Müll liegen ließen, nicht lesen können. Vermutlich ist es tatsächlich willentliche Missachtung und Misshandlung der Natur. Es gibt ihn eben noch zuhauf, den Homo ignoranticus (auch bekannt als Egoist). Ich hoffe, er gehört zu einer seltener werdenden Art. Allen anderen Gästen des Nationalparks Schwarzwald, die achtsam mit der Natur umgehen, sei gesagt: Vielen Dank für euren Respekt gegenüber der Natur und anderen Gästen! Tragt euer Wissen in die Welt und helft weiter mit, die Vermüllung zu verringern. Übrigens: Wer gerne direkt im Nationalpark mit anpacken will, bei Müllsammelaktionen oder Artenschutzmaßnahmen, der kann sich beim Freundeskreis Nationalpark Schwarzwald e. V. informieren, wann Aktionen anstehen und wie man mitmachen kann.

    Kleine Müll-Galerie

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    Zur Person

    Franziska Lemoine

    Stellvertretende Pressesprecherin des Nationalpark Schwarzwald

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