Das große Summen: Warum sich Hummeln im Nationalpark wohlfühlen

29.03.2023 von Pressestelle in Kategorie : Nachrichten
  • Mehr Totholz und offene Grinden schaffen Lebensräume für gefährdete Arten/ Konkurrenz durch domestizierte Honigbienen

    Wer denkt beim Thema Wildbienen nicht automatisch an blütenreiche oder mit Obstbäumen bestandene Wiesen in sonnenwarmen Landschaften? Doch gibt es diese fleißigen kleinen Insekten auch in den Hochlagen des Schwarzwalds? Und profitieren sie von der entstehenden Wildnis im Nationalpark? „Tatsächlich konnten wir bisher schon 80 der 494 in Baden-Württemberg vorkommenden Wildbienenarten im Gebiet des Nationalparks Schwarzwald nachweisen“, berichtet Jörn Buse, Sachbereichsleiter für wirbellose Tiere und Biodiversität im Großschutzgebiet. 17 dieser Arten stehen in Baden-Württemberg auf der Roten Liste der gefährdeten Tiere. Eine bekannte und im Nationalpark stark vertretene Gruppe sind die Hummeln. 18 der 41 in Deutschland lebenden Hummelarten sind im Nationalpark schon gesichtet worden. „Darunter einige Raritäten wie die Große Erdhummel“, sagt Buse.

    „Hummeln sind im Nationalpark die häufigsten und damit wichtigsten Bestäuber“, sagt Sönke Birk, Fachbereichsleiter für Forschung, Monitoring und Artenschutz. Sie sind im Vergleich mit anderen Wildbienen besonders an kühle Lebensräume angepasst. Für viele Hummelarten gelten Wälder als wichtige Lebensräume für die Koloniegründung und auch für die Überwinterung der Hummelköniginnen, wie neuere Studien aus den USA zeigen. Dies liegt unter anderem daran, dass die Hummelköniginnen in den Wäldern viele Frühblüher finden können.

    Auch drei der in Baden-Württemberg gefährden oder stark gefährdeten Hummelarten haben die Forscherinnen und Forscher im Nationalpark schon nachgewiesen. Darunter die seltene Vierfarbige Kuckuckshummel (Bombus quadricolor), die aktuell in Baden-Württemberg nur im Schwarzwald vorkommt und in vier Bundesländern Deutschlands bereits als ausgestorben gilt. „Diese Art ist eine der seltenen Kuckucksbienen, die sich durch ihre spezielle Nistweise auszeichnen. Ähnlich der Brutweise des Kuckucks haben diese Wildbienen keine eigenen Nester für ihren Nachwuchs, sondern legen ihre Eier in Nester anderer, meist spezifischer Wildbienenarten“, erklärt Buse. Umso wichtiger ist für diese Art das Vorkommen ihrer spezifischen Wirtsbiene.

    Hummeln sind weltweit durch die Klimaerwärmung und Veränderungen im Blühangebot im Rückgang begriffen. Gerade kälteangepasste Hummelarten zeigen eine nur geringe Toleranz gegenüber Hitzestress. Mit dem Nachweis der Großen Erdhummel (Bombus magnus) und der Heidehummel (Bombus jonellus) zeigt sich die Bedeutung des Nationalparks Schwarzwald für den Erhalt kälteangepasster Wildbienen. Letztere ist in Baden-Württemberg im Bestand stark gefährdet. „Und von der Großen Erdhummel ist es wohl der erste Beleg für ganz Baden-Württemberg“, sagt Jörn Buse.

    Spezieller Lebensraum durch Klima, Lage und Grinden

    Durch seine Höhenlagen bis über 1.000 Meter ist der Nordschwarzwald zudem Lebensraum vieler seltener, sogenannter boreo-montaner (siehe Glossar) Wildbienenarten wie der Rotbeinigen Lockensandbiene (Andrena clarkella) oder der Waldschmalbiene (Lasioglossum fratellum). Die Waldschmalbiene hat ihren Verbreitungsschwerpunkt in Baden-Württemberg im Schwarzwald und der Nachweis der Rotbeinigen Lockensandbiene im Nationalpark ist der bislang einzige Fund im nördlichen und mittleren Schwarzwald.

    Während der Wald als kühler Lebensraum für kälteangepasste Arten vorteilhaft ist, benötigen sie gleichzeitig Blühpflanzen als Nahrungsquelle. Heidelbeeren, die für viele Wildbienenarten eine wichtige Nahrungsquelle darstellen, kommen in bodensauren Wäldern wie dem Schwarzwald bevorzugt in lichten Gebieten vor. Im Vergleich zu den forstwirtschaftlich genutzten Wäldern, hat das Schutzgebiet des Nationalparks Schwarzwald mehr offene Flächen und lichtere Waldstandorte zu bieten. Das nützt gefährdeten Arten, die sich hauptsächlich von Heidelbeerpflanzen ernähren, wie die Heidelbeer-Sandbiene (Andrena lapponica).

    Gerade die Grinden im Nationalpark bieten einen besonderen Lebensraum, wie für die auf Heidekraut spezialisierte, stark gefährdete Heidekraut-Seidenbiene (Colletes succinutus). „Die Seltenheit solcher geschützten Heideflächen in Baden-Württemberg zusammen mit den klimatischen Gegebenheiten der Hochlagen machen die Grinden zu einem äußerst interessanten Lebensraum. Allein neun der gefundenen Arten würden ohne diesen Lebensraum im Nordschwarzwald vermutlich nicht vorkommen“, sagt Birk. Darunter fällt auch, die nur bei Allerheiligen und beim Lotharpfad im Nationalpark nachgewiesene Heidekraut-Herbstsandbiene (Andrena fuscipes). Sie zählt ebenfalls zu einer der in Baden-Württemberg stark bedrohten und selten vorkommenden Wildbienenarten.

    Während die auf Heideflächen spezialisierten Arten meist in den sandigen Böden nisten, gibt es unter den Wildbienen auch Vertreter, die Totholz zum Nisten bevorzugen. Man findet sie häufig nur in naturnahen Wäldern mit einem hohen Totholzanteil und lückigen Strukturen. Im Nationalpark entstehen diese Bedingungen durch den Prozessschutz. Allein sechs der im Nationalpark nachgewiesenen Arten sind solche im Totholz nistenden Wildbienen. Darunter die in Baden-Württemberg gefährdete Distel-Mauerbiene (Osmia leiana). Grundsätzlich fördert Totholz oberirdisch nistende Wildbienen und auch Kuckucksbienen, die von den nun zahlreicher vorkommenden Wirtsbienen profitieren, wie Untersuchungen aus dem Nationalpark belegen.

    Konkurrenz durch domestizierte Honigbienen

    Gefahr droht den wilden Arten auch durch die Konkurrenz domestizierter Honigbienen. „Im gesamten Nationalparkgebiet gibt es massiven Einflug von domestizierten Honigbienen aus den umgebenden Siedlungen, wie Untersuchungen belegen“, berichtet Jörn Buse. Flüge über zwei oder drei Kilometer sind hierbei keine Seltenheit. Diese domestizierten Honigbienen konkurrieren mit den im Nationalpark lebenden Wildbienen um Nahrungsquellen und können eine Gefahr für den Bestand seltener Arten im Nationalpark darstellen. Auch Pollendiebstahl von Honigbienen bei Wildbienen wurde schon beobachtet, wie eine jüngst veröffentlichte Arbeit aus Ostösterreich belegt. „Deshalb erlaubt der Nationalpark Schwarzwald grundsätzlich keine Bienenstöcke im Gebiet“, erklärt Buse. Denn der Nationalpark Schwarzwald hat eine Verantwortung für den Schutz stark gefährdeter Wildbienenarten, die vorwiegend in den Hochlagen vorkommen.


    Glossar

    Kuckucksbienen: Kuckucksbienen werden auch als Brutparasiten bezeichnet, da sie die Brut anderer Wildbienen (= Wirtsbiene) töten und ihre eigenen Nachkommen in deren Nester legen. Die Wirtsbienen ziehen dann die Nachkommen der Kuckucksbienen groß.
    Boreo-montan verbreitete Arten: Bezeichnung für einen Verbreitungstyp; die boreo-montan verbreiteten Arten bewohnen zwei getrennte Areale mit kühlem Klima – Nordeuropa, montane Zone der Alpen und Mittelgebirge.


    Die Pressemitteilung vom 29. März 2023 als PDF zum Herunterladen: Das große Summen - warum sich Hummeln im Nationalpark Schwarzwald wohlfühlen (PDF, 0.3 MB)

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