Zu viel los im Nationalpark Schwarzwald?
Bachelorarbeit zu Crowding und Erlebnisqualität
Wie beeinflusst der Besucherandrang das Naturerleben im Nationalpark Schwarzwald? Eine Analyse von Franziska Graef
Wenn Menschen Großschutzgebiete besuchen, wollen sie vor allem eines: Natur erleben. Gerade mit der beginnenden Wandersaison ist mit vielen Gästen zu rechnen. So stieg auch im Nationalpark Schwarzwald seit 2018 das Aufkommen um rund 20 Prozent auf 913.000 Besuchende pro Jahr (Juli 2021 bis Juni 2022). Allein der Lotharpfad als einer der Hot Spots im Park verzeichnete 130.000 Besucherinnen und Besucher im Jahr 2021.
Crowding, die subjektive Einschätzung eines Zuviels an Gästen
Allerdings führen diese stärkere Nutzung sowie höhere Besuchsraten oftmals dazu, dass die oder der Einzelne sein Erleben als schlechter empfindet. In der Erholungsforschung wird das mit dem Begriff „Crowding“ verbunden. Dabei geht es aber nicht um eine bestimmte objektive Anzahl an Besucherinnen und Besuchern, die zu negativen sozialen Effekten führt. Entscheidend ist das subjektive Empfinden einer Person über ein „Zuviel anderer“.
Die Crowding-Wahrnehmung kann durch persönliche Einstellungen wie die eigenen Besuchsmotive und Erwartungen, das Verhalten anderer, aber auch durch den Ort und Zeitpunkt des Besuchs beeinflusst werden. Das bedeutet, dass auf einem Pfad nicht zwingend viele Personen unterwegs sein müssen. Jemanden, der Ruhe sucht, kann schon eine kleine Gruppe durch ihr Handeln stören.
Interessant ist, wie die Gäste das Aufkommen im Nationalpark wahrnehmen und wie sie damit umgehen. Welche Rolle spielen dabei bestimmte Motive sowie Erwartungen und welche Störfaktoren gibt es?
Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigte sich Franziska Graef in ihrer Bachelorarbeit für den Studiengang „Nachhaltiges Regionalmanagement“ und untersuchte das empfundene Crowding am Lotharpfad sowie am Luchs- und Wildnispfad (Abbildung 1). Betreut wurde die Arbeit von Monika Bachinger, Professorin an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg und seitens des Nationalparks von Dominik Rüede.
Mit dem Fragebogen und einer selbst entwickelten Bildskala ins Gebiet
Die Studentin der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg befragte im Sommer 2022 an jeweils zwei Tagen die Pfadbesuchenden und konnte so Daten von 279 Personen sammeln. Glücklicherweise spielte auch das Wetter mit, sodass die Daten hauptsächlich an gut bis sehr gut besuchten Tagen erhoben wurden.
Eine besondere Herausforderung war dabei die Crowding-Wahrnehmung quantitativ zu messen, da diese sehr individuell ausfällt und das Besuchsaufkommen an verschiedenen Tagen auch variieren kann.
Deshalb wurde eine Bilderskala (Abbildung 2) genutzt, die von „no crowding“ bis „very crowded“ reicht, um eine vergleichbare Ausgangssituation zu schaffen.
Mithilfe verschiedener Fragen zum Besuchsaufkommen (z.B. erwartetes, tatsächliches oder maximal akzeptables Aufkommen) konnten dann Rückschlüsse auf die Toleranz gegenüber Crowding gezogen und verschiedene Zusammenhänge zwischen Störfaktoren, Anpassungsstrategien und Zufriedenheit untersucht werden.
Die Ergebnisse: zufriedene Besuchende, denen es nicht zu voll ist
Als Hauptmotive für einen Besuch haben sich „Natur erleben“ gefolgt von „Etwas mit der Familie/Freunden unternehmen“ herausgestellt. Mit Blick auf die Bilderskala (Abbildung 2) lag für die meisten Gäste sowohl das erwartete als auch das tatsächliche Besuchsaufkommen bei Bild 2. Das maximal akzeptable Aufkommen war für die meisten Befragten bei Bild 3 oder Bild 4 erreicht.
Hinzu kommt, dass bei den meisten Gästen grundsätzlich eine niedrige Begegnungssensibilität bestand. Das bedeutet, dass es sie nicht großartig stört, wenn sie anderen Menschen begegnen. Wahrscheinlich liegt dies daran, dass sie schon vor dem Besuch ein gewisses Besuchsaufkommen erwarten und auch das soziale Motiv eine entscheidende Rolle spielt. Insgesamt stellt Crowding also bei den befragten Gästen kein Problem dar.
Mit einem tieferen Blick in die Daten ist noch interessant zu sehen, dass die Toleranz gegenüber Crowding bei den auswärtigen Gästen – im Vergleich zu den Besucherinnen und Besuchern aus der direkten Umgebung – stärker ausgeprägt ist. Dazu passt auch, dass die Einheimischen öfter angaben, dass sie versuchen, Störungen zu umgehen. Zum Beispiel, indem sie den Pfad eher unter der Woche als am vielbesuchten Wochenende nutzen.
Sehr erfreulich ist auch, dass sich im Hinblick auf die Zufriedenheit ein positives Bild ergab. Rund 65 Prozent der Befragten waren „sehr zufrieden“ mit ihrem Besuch, gefolgt von weiteren 30 Prozent die sich als „eher zufrieden“ einstuften.
Dominik Rüede, der im sozialwissenschaftlichen Team des Nationalparks für das Besuchermonitoring zuständig ist, freut sich über diese gelungene Abschlussarbeit: „Dass die Besuchszahlen an den Erlebnispfaden manchmal ganz schön hoch sind, wussten wir schon, aber ob dadurch das Besuchserlebnis leidet, dazu hatten wir bisher keine Informationen. Toll also, dass wir nun sagen können, dass das Crowding – auch bei guter Auslastung – bei uns kein Problem zu sein scheint.“
Dieser Blogbeitrag wurde von Franziska Graef verfasst und mit der Unterstützung von Dominik Rüede veröffentlicht.
Graef F (2023): Crowding und Erlebnisqualität. Eine Analyse der Beeinflussung von Naturerlebnissen durch Besucherandrang im Nationalpark Schwarzwald, Bachelorarbeit, Nachhaltiges Regionalmanagement, Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg.
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Dr. Dominik Rüede
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