Neue Forschung: Was die Luft über die Artenvielfalt verrät
Erstmals weltweites Projekt mit Pilzsporen durchgeführt / Luftprobenentnahme auch am Wilden See
Nur ein Bruchteil der Artenvielfalt ist bekannt, insbesondere bei Insekten und Pilzen, die Millionen von noch unbekannten Arten enthalten. Gleichzeitig schreitet der Verlust der Artenvielfalt in einem noch nie dagewesenen Tempo voran. Die Forschung liefert sich einen Wettlauf gegen die Zeit, um die unbekannte Vielfalt zu erfassen und zu beschreiben, aber auch gleichzeitig Wege zu ihrer Rettung zu finden. Forscherinnen und Forscher der Universität Jyväskylä in Finnland haben nun eine neue Methode getestet – mit weltweiter Unterstützung, darunter auch vom Nationalpark Schwarzwald.
Dabei haben die Forscherinnen und Forscher herausgefunden, dass der Schlüssel zu einer schnellen und kosteneffizienten Kartierung der biologischen Vielfalt die ganze Zeit direkt vor ihren Augen lag, aber gleichzeitig unsichtbar war, nämlich in der Luft. Im Zeitraum von Frühjahr 2018 bis Frühjahr 2019 hat ein Luftsporensammler am Wilden See auch im Nationalpark Schwarzwald jede Woche an zwei Tagen Luft eingesaugt. Diese Proben wurden zusammen mit Proben von weltweit weiteren 46 Standorten aller Kontinente (mit Ausnahme der Antarktis) in Jyväskylä ausgewertet – und die Ergebnisse jetzt in der Zeitschrift Nature veröffentlicht. „Die Luft ist eine wahre Fundgrube für die Biodiversitätsforschung“, sagt Nerea Abrego, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Jyväskylä. „Sie ist voller DNA von Pflanzen, Pilzen, Bakterien, Insekten, Säugetieren und anderen Organismen.“ Die Untersuchung ist die erste weltweite auf Luftproben basierende Studie, die einen umfassenden Überblick über die räumliche und saisonale Dynamik von Pilzen bearbeitet hat. Ein wesentliches Ergebnis: Die Artenvielfalt und die Zusammensetzung der Pilzgemeinschaften hängen vor allem von der mittleren jährlichen Lufttemperatur ab. Das bedeutet, dass die höchste Artenvielfalt - wie bei den meisten anderen Organsimengruppen auch - am höchsten in den äquatornahen Tropen besteht.
„Es gab aber auch Ausnahmen“, berichtet Flavius Popa, der das Projekt im Nationalpark Schwarzwald begleitet hat. Zum Beispiel Ektomykorrhizapilze wie der Echte Pfifferling, die ihre höchste Vielfalt in gemäßigten Regionen zeigten. Das passt auch sehr gut zu den Lebensräumen, in denen ihre Wirtsbäume am artenreichsten sind. „Die Auswertung der Daten konnte zeigen, dass bestimmte Pilzartengruppen eine starke Saisonalität aufweisen. Bei uns ist das auch gut beobachtbar mit dem Herbst als absolute Pilzzeit“ sagt Popa. Da ein Großteil der Pilze über die Luft verbreitet wird, umfasste die Studie nicht nur Steinpilze und Champignons, sondern beispielsweise auch Flechten, Schimmelpilze und Hefen.
Abrego leitete die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie, in der die DNA-Sequenzierung zur Identifizierung von Pilzen aus den weltweit gesammelten Luftproben eingesetzt wurde. Die Forschungsarbeiten erbrachten bemerkenswerte Erkenntnisse über die klimatischen und evolutionären Faktoren, die das Vorkommen und die jahreszeitlichen Schwankungen sowohl von bisher bekannten als auch von unbekannten Pilzen beeinflussen. "Dieses Wissen ist nicht nur wichtig, um zu verstehen, wo und wann verschiedene Pilzarten Fruchtkörper bilden, sondern auch, um das Reich der Pilze im globalen Wandel besser zu verstehen", sagt Abrego. Otso Ovaskainen, Professor an der Universität Jyväskylä, ist davon überzeugt, dass diese neuen Probenahmetechniken das Monitoring und die Vorhersage der biologischen Vielfalt in den kommenden Jahren revolutionieren werden. Auch Falvius Popa kann das bestätigen: Neue genetische Methoden werden bereits seit einigen Jahren im Nationalpark Schwarzwald angewendet.
Weitere Informationen
Der vollständige Artikel zur Studie in der Fachzeitschrift Nature: https://www.nature.com/articles/s41586-024-07658-9
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- Foto 1: Sporensammler am Wilden See © Flavius Popa (Nationalpark Schwarzwald) (JPG; 7 MB)
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