Eine neue Schleimpilzart und ein neuer Lebensraum

01.11.2024 von Dr. Flavius Popa in Kategorie : Nationalparkforschung
  • 787 Funde auf dem Harz von Nadelbäumen

    Eine neue Art aus der Gruppe der Schleimpilze, die auf dem Harz von Nadelbäumen wächst, wurde beschrieben. Die 787 bekannten Funde stammen aus Frankreich, Deutschland, Dänemark und Norwegen. DNA-Analysen zeigten, dass die neue Art eng mit harzabbauenden Pilzen sowie bestimmten Bakterien zusammen vorkommt. Die Fruchtkörper wurden vor allem im Winter gefunden. Genetisch konnte die Art von anderen Arten dieser Gattung eindeutig unterschieden werden. Die neue Art bildet ausschließlich sitzende, also ungestielte Fruchtkörper und gehört morphologisch zur Gattung Diacheopsis. Aufgrund Ihres Lebensraumes wurde die Art Diacheopsis resinae (resin = Harz) genannt.

    Die Gattung Diacheopsis gehört zu den nivicolen (= schneebewohnenden) Schleimpilzen, da ihre Fruchtkörper am Rand von schmelzenden Schneeflächen wachsen. Nivicole Organismen entwickeln sich oder leben unter der Schneedecke. Sie brauchen den Schnee, um bei der Schneeschmelze im Frühjahr Fruchtkörper zu bilden. In dieser Gruppe der Schleimpilze sind etwa 100 Arten bekannt.

    Allerdings sind nur sechs der derzeit bekannten 19 Arten der Gattung Diacheopsis nivicol; die übrigen bewohnen Rinden, Streu, Holz oder aber ihre Habitatpräferenz lässt sich aus den wenigen bekannten Beobachtungen nicht ableiten.

    Die neu entdeckte Art Diacheopsis resinae besetzt eine ökologische Nische, die für Schleimpilze bisher noch nicht bekannt war: Stammwunden von Nadelbäumen mit Harzfluss. Das Harz von Nadelbäumen enthält eine große Vielfalt an Substanzen, die eine Besiedlung durch Pilze und Bakterien hemmen. Nur eine sehr spezifische Gemeinschaft von Pilzarten ist in der Lage, Harz zu besiedeln. Beispiele sind das Schwarze Harzbecherchen (Sarea difformis), das Gelbe Harzbecherchen (Zythia resinae) und Fichten Haarbecherling (Lachnellula resinaria), sowie Sorocybe resinae die Art, die für eine schwarze Färbung des Harzes verantwortlich ist. Wir konnten zeigen, dass diese Pilzarten als gute Indikatoren für das mögliche Vorhandensein von Diacheopsis resinae verwendet werden können.

    Genetische Analysen zeigten ein häufiges Nebeneinander von zwei Bakteriengattungen Endobacter und Sphingomonas und Diacheopsis resinae. Möglicherweise bilden diese Bakterien die Hauptnahrungsquelle für die Amöben und/oder Plasmodien der Schleimpilze.

    Das Vorkommen der neuen Art scheint besonders durch Niederschlag und Temperatur bestimmt zu sein. Die meisten Fruchtkörpernachweise wurden über die Wintermonate erbracht, wenn die Verdunstung am geringsten ist und die Rinde über längere Zeiträume feucht bleibt. Daraus lässt sich schließen, dass sie bei bei niedrigen Temperaturen Fruchtkörper ausbilden kann. Im Gegensatz zu nivicolen Arten, die eine isolierende Schneedecke benötigen, trotzt D. resinae auch plötzlich auftretendem Frost. Zahlreiche Nachweise wurden oberhalb von einem Meter, also oberhalb einer Schneebedeckung gefunden.

    Infobox: Schleimpilz

    Von den weltweit etwa 1.000 bekannten Arten wurden ca. 150 bereits im Nationalpark nachgewiesen. Schleimpilze sind unscheinbare Lebewesen, von denen meist nur der Fruchtkörper oder die Schleimzelle (Plasmodium) zu sehen sind. Man findet Schleimpilze weltweit: Sie bewohnen die polaren Gebiete, die Subtropen und Tropen, sowie die gemäßigten Breiten. Ein bekannter und häufiger Schleimpilz ist die Gelbe Lohblüte (Fuligo septica). Mit einer auffällig gelben Farbe und einem großen Fruchtkörper ist dieser Schleimpilz gut zu erkennen. Er besiedelt im Wald Totholz und Streu, aber auch Rindenmulch im Garten oder Wiesen. Die meisten Arten sind in Wäldern anzutreffen. Hier finden Schleimpilze optimale Wachstumsbedingungen durch ausreichend Feuchtigkeit und konstante Temperaturen.

    Mogelpilze

    Anders als der Name vermuten lässt, sind Schleimpilze keine Pilze. Vielmehr handelt es sich bei Schleimpilzen um einzellige Amöben, die sich im Laufe ihrer Entwicklung zu einer vielkernigen Riesenzelle, dem sogenannten Plasmodium, verbinden. Als Plasmodium bewegt sich der Schleimpilz über den Waldboden und ernährt sich von Mikroorganismen, die auf Streu, Totholz oder nackter Erde leben.

     

     

    Hat das Plasmodium eine gewisse Größe erreicht und kommt es zu einer Veränderung der Lebensbedingungen, setzt die Fruchtkörperbildung ein. Dabei bilden sich aus dem Plasmodium heraus Fruchtkörper, in denen die Sporen enthalten sind. Die Sporen keimen dann wieder mit Amöben - anders als bei echten Pilzen, die mit Hyphen keimen.

    Nivicole Schleimpilze

    Eine besondere ökologische Artengruppe bilden die nivicolen Schleimpilze. Diese benötigen eine konstante Schneedecke, die für mindestens drei Monate geschlossen ist, um sich entwickeln zu können. Man findet sie daher in unseren Breiten nur im Frühjahr und ausschließlich in Mittel- und Hochgebirgen am Rande des abschmelzenden Schnees. In den Hochlagen des Alpenraums können sie bis in den Hochsommer hinein gefunden werden. Unter der Schneedecke herrschen konstante Bedingungen, welche die Arten für ihre Entwicklung benötigen. Hier ernähren sie sich von Bakterien. Die Fruchtkörper entwickeln sich dabei unter oder am Rand der Schneedecke. Die Fruchtkörper besiedeln auch Totholz, Streu, nackte Erde oder Steine. Die aufgrund des Klimawandels häufigeren schneearmen Winter und stärkeren Wärmeperioden im Frühjahr könnte negative Auswirkungen auf diese Artengruppe haben.

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