Fährtenlesen für Anfänger

13.08.2020 von Oliver Gewald in Kategorie : Blog
  • Welche Tiere wohl nachts unbemerkt durch den Nationalpark streifen? Nur mit einem geschulten Auge lässt sich das anhand ihrer Spuren, die sie hinterlassen, erkennen. Zusammen mit dem Wildtierbiologen Peter Sürth mache ich mich auf Fährtensuche im Nationalpark.

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    Wer derzeit auf Spurensuche gehen will, der braucht vor allem eines: einen funktionierenden Wecker. Um 4.30 Uhr werde ich an diesem Morgen aus dem Schlaf gerissen, um mich kurz nach Sonnenaufgang im Nationalpark wiederzufinden. Auf zur Spurensuche! Am Skilift Hundseck treffe ich Peter Sürth, der für diese Zeit unheimlich ausgeschlafen wirkt. Warum so früh, möchte ich wissen: „Morgens sind die Spuren aus der Nacht noch frisch.“ Der Widltierbiologe erklärt, dass das Spurenlesen zu dieser Jahreszeit gar nicht so einfach sei. Der Boden im Nationalpark ist im Sommer sehr trocken, außerdem sind tagsüber viele Besucherinnen und Besucher unterwegs, die die wenigen Spuren verwischen. Also bleibt uns keine andere Wahl, als um sechs Uhr morgens durch die Wälder zu streifen.

    Das Auge fürs Detail

    Schon nach den ersten Metern ist Peter Sürth in seinem Element. „Da, Spur“ sagt er, während ich noch versuche, mich an die Uhrzeit zu gewöhnen. Ich schaue mich einige Sekunden lang konzentriert um – nichts. Es benötigt den berühmten Wink mit dem Zaunpfahl, der in diesem Fall lediglich ein Stock ist. Mit diesem zeigt Peter Sürth vor sich auf den Boden, wo sich wohl ein Hase mitten auf dem Wanderweg erleichtert hat. Eigentlich liegt die Spur auf dem Präsentierteller, doch ich merke schnell: Wer hier nicht genau hinschaut, wird keine Fährten finden. Immer tiefer dringen wir in den Wald vor, und damit werden auch langsam die Spuren von Wildschwein, Fuchs und Co. etwas deutlicher. Schon von weitem erkennt Peter Sürth einen Wildwechsel – das Gras ist an einer Stelle etwas eingedrückt. Das erkenne sogar ich! Damit ist klar: Hier können eigentlich auch Hufabdrücke nicht weit sein. Und tatsächlich! Direkt gegenüber finden wir auf etwas weicherem Boden die Abdrücke eines Rotwilds. Der Wildtierbiologe legt sein Maßband daneben und erkennt: „Das muss ein relativ großes Tier gewesen sein!“

    Wie man Spurenlesen lernt? „Learning by doing“

    In Sekundenschnelle kann Peter Sürth die kleinsten Fährten deuten. Er erkennt an Größe und Form eines Abdrucks, ob es sich um ein Reh, einen Fuchs oder einen Hasen handelt. Doch wie kam er dazu? Wie lernt man das Spurenlesen? „Natürlich gibt es Literatur dazu. Auch ich finde manchmal Spuren, die ich zuvor noch nie gesehen habe. Dann suche ich selbst im Internet danach, dort findet man eine ganze Menge Bilder von Spuren“, erklärt der Wildtierbiologe. Doch einfach nur im Internet nachzulesen oder in Büchern nach der Erklärung zu suchen, sei noch lange nicht alles: Danach gehe es darum, diese Bilder auszusortieren und die Spur zu deuten. Um das zu können, sei vor allem eines wichtig: learning by doing. Peter Sürth fing damit schon in seinem Studium an. Mittlerweile war er in ganz Europa unterwegs. In Rumänien hat er Wölfe gesehen, in der Türkei ist er in die Höhle eines Bären gekrochen. Dieses Wissen gibt er heute in Kursen und Führungen an die Besucher des Nationalparks weiter.

    Das erste Erfolgserlebnis

    In der Zwischenzeit haben wir uns auf den immer schmaler werdenden Wanderpfaden tief in den Bannwald hineingearbeitet. Peter Sürth fordert mich nun immer mehr. Mitten auf dem Weg bleibt er kommentarlos stehen und sieht mich fragend an. Ich schaue mich um – wo könnte hier eine Spur versteckt sein? Ich scanne die Umgebung. Nach wenigen Sekunden wandert mein Blick gen Boden. Tatsächlich entdecke ich hier eine Art Fleck auf dem Wanderweg. Ein kreisrunder Abdruck, den ich nun auch deuten soll. Meine Vermutung: Hier muss ein relativ großes Tier gelegen haben. Peter Sürth nickt. Damit habe ich meine erste Spur selbst entdeckt und gedeutet. „Hier sehen wir wohl den Schlafplatz eines Tieres. Wahrscheinlich ein Hirsch“, fügt der Fachmann meinen Spekulationen hinzu. Nach knapp zwei Stunden bekomme ich langsam ein Auge fürs Detail, das ich zum Spurenlesen brauche.

    Spuren als Indikator für die Bewohner des Waldes

    Nach diesem ersten Erfolgserlebnis wird es Zeit, endlich die ersten Tiere zu Gesicht zu bekommen. Doch diese Hoffnung nimmt mir Peter Sürth, als ich ihn darauf anspreche. „Die Spuren sind nur ein Indikator dafür, dass die Tiere überhaupt da sind. Ein Wildtier zu sehen, ist in erster Linie purer Zufall.“ Gleichzeitig gehe es beim Spurenlesen gar nicht darum, auch wirklich Rehe, Füchse, oder Wildschweine mit eigenen Augen zu sehen. Die schreckhaften Tiere sind die Bewohner des Nationalparks – ihnen gehört der Wald. Wir sind nur zu Besuch in ihrem Zuhause, das sollten wir respektieren. Die seltene Begegnung zwischen Mensch und Tier sollte man also wertschätzen und nicht aktiv danach suchen. Um dennoch etwas von der Vielfalt der Natur im Nationalpark zu erleben, gibt es schließlich die vielen Spuren. Man muss sie nur finden.

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    Zur Person

    Oliver Gewald

    Bloggt im Auftrag von Kresse & Discher für den Nationalpark Schwarzwald.


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