"Dem Volk aufs Maul schauen"
… soll Martin Luther gesagt haben. Heute nennt man dies Bürgerbeteiligung. Die ist sogar in den Bestimmungen des Nationalparks verankert. Zufällig ausgewählte Menschen äußern ihre Meinungen, mischen sich ein. Das Bürgerforum mit der Zufallsauswahl ist auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Nationalparks etwas ganz Neues, das zum ersten Mal ausprobiert wird. Das ist manchmal anstrengend und stellt nicht immer alle zufrieden. Aber die Mitsprache soll dafür sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger besser informiert sind und ihre Ideen einbringen. Denn nicht immer sind es nur die Expertinnen und Experten, die über richtige Erkenntnisse verfügen.
Drei, die beim Bürgerforum des Nationalparks mitmachen, berichten von ihren Erfahrungen mit den Präsenz- und Online-Veranstaltungen. Es sind Sonja, 53 Jahre alt, aus Bad Peterstal-Griesbach, Harald, 66, aus Baden-Baden und Joachim, 59, aus Bühlertal.
Was wusstet ihr zuvor über den Nationalpark?
Sonja: Ich hab gar nichts gewusst.
Harald: Ich auch nicht. Halt, stimmt nicht, ich wusste ein wenig von einer Bekannten, die Interesse hatte, Rangerin zu werden.
Joachim: Ich wusste halt, dass es den Nationalpark gibt.
Wie wurdet ihr fürs Bürgerforum angefragt?
Harald: Bei mir kam ein Anruf.
Joachim: Per Brief. Ich hab den Absender 'Nationalpark' gelesen, hab mich gewundert und den Briefumschlag gleich aufgemacht. Dort stand ein QR-Code, den hab ich gleich geöffnet.
Sonja: Bei mir kam auch ein Brief.
Was habt ihr zuerst gedacht?
Sonja: Ich war erst total von der Rolle, also positiv überrascht, dass ich ausgewählt worden bin. Ich wusste sofort, dass ich mitmache.
Harald: Ich hab das erst nicht geglaubt. Deshalb hab ich um mehr Informationen gebeten und dass man mich später nochmal anruft.
Joachim: Ich hab mich gefreut, dass ich gefragt worden bin. Und ich war neugierig, wie das funktioniert und was da auf mich zukommt.
Kanntet ihr diese Art der Beteiligung schon?
Sonja: So genau nicht. Aber mir gefällt’s, dass die Meinung von Bürgerinnen und Bürgern gefragt ist.
Joachim: Ich hab 30 Jahre im Außendienst bei einem Lebensmittelkonzern gearbeitet. Da gab es Projektgruppen, die berichtet haben, was draußen, also außerhalb des eigenen Unternehmens, so los ist. Diese Berichte haben manche Entscheidungen im Unternehmen beeinflusst. Das ist so eine ähnliche Art von Beteiligung.
Es begann mit einem Treffen im Naturschutzzentrum. Wie war das?
Joachim: Wir wurden vorab gebeten, mit dem Bus zu kommen. Oder Fahrgemeinschaften zu bilden. Ich stand an der Bushaltestelle, aber der Bus fiel aus. Also schnell zurück, das Auto geschnappt und los. Die Präsentationen fand ich richtig interessant, alle Vortragenden haben sich ins Zeug gelegt.
Sonja: Ich habe eine Frau mitgenommen, die zwei Orte weiter wohnt. Wir hatten auf der Fahrt richtig gute Gespräche. Überhaupt gab es die ganze Zeit einen respektvollen, wertschätzenden Umgang. Ich meine bei den Präsenztreffen und später bei den Online-Treffen. Für mich ist das Ganze echt sehr stimmig – kompetent und freundlich.
Harald: Die Infoveranstaltung ist richtig gut gelungen. Ich war begeistert, als uns vorgestellt wurde, was im Nationalpark alles gemacht wird. Nur wissen nicht viele, was für eine tolle Arbeit hier gemacht wird.
Um welche Themen geht’s euch besonders?
Harald: Mich beschäftigt der Verkehr in den anliegenden Gemeinden, der durch die Attraktivität des Nationalparks entsteht. Vielleicht liegt das daran, weil meine Mutter in Lauf geboren ist. Und Lauf ist auch vom Verkehr betroffen. Außerdem beschäftigt mich, dass Einheimische darauf pochen, Wege zu benutzen, auch wenn diese gesperrt sind. Mich beschäftigt, wie man die Interessen von Naturschutz und Bevölkerung zusammenbringen kann. Und ganz ehrlich, ich hätte mir gewünscht, dass Mountainbiken im Nationalpark verboten wird.
Joachim: Mich treibt auch der Verkehr um. Als in der Diskussion der Vorschlag einer Seilbahn aufkam, hab ich gesagt: Leut‘, lasst das, an der Talstation müssen dann Bäume sterben und auf der Trasse für die Bahn auch. Ich bin dafür, die Anwohner in irgendeiner Weise zu belohnen. Es sollten positive Anreize und keine Verbote sein.
Sonja: Der Verkehr klar, wie lässt sich der bündeln? Aber auch, wie werden die Angebote des Nationalparks mehr publik. Es gibt so tolle Angebote, die auch lehrreich sind, direkt vor der Haustür. Aber viele wissen überhaupt nichts davon.
Alle drei sind sich einige, dass der Nationalpark zu wenig Werbung macht.
Lohnt sich eurer Meinung nach so ein Bürgerforum?
Sonja: Auf jeden Fall. Schon allein, dass wir Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sind und über den Nationalpark und die Themen im Freundeskreis erzählen. Man bekommt einen intensiven Blick auf Mutter Natur.
Joachim: Ich würde es wieder machen. Mir gefällt schon das Gefühl, man möchte das Volk hören. Ich glaube, unsere Vorschläge, Gedanken und Argumente werden im Umweltministerium vorgetragen. Klar, es kann nicht alles erfüllt werden. Aber so wissen sie dort: Das Volk sieht es so, in diese Richtung sollte es gehen.
Harald: Es ist eine gute Sache.
INFOKASTEN
Mehr Raum für Wildnis und geschützte Arten – das will die Landesregierung in Baden-Württemberg ermöglichen und deshalb den Nationalpark Schwarzwald weiterentwickeln. Wie das konkret aussehen kann, wird in einem breit angelegten Beteiligungsprozess ausgearbeitet. „Neben den gesetzlich verankerten Beteiligungsgremien Nationalparkrat und -beirat sowie Workshops und Führungen für die interessierte Öffentlichkeit ist das Bürgerforum ein echtes Herzstück der Beteiligung zur Weiterentwicklung“ erklärt Luisa Gigler, die die Beteiligung zusammen mit ihrer Kollegin Marina Bauer betreut.
Die Mitglieder des Forums kommen je zur Hälfte aus ganz Baden-Württemberg sowie aus dem direkten Umfeld des Nationalparks. Sie wurden zufällig ausgelost. „Wir erhoffen uns so vielfältige und eher unvoreingenommene Perspektiven. Wir haben Menschen aller Altersklassen ab 16 Jahren, mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen und Lebenswelten im Bürgerforum – es ist einfach toll zu sehen, wie in der Diskussion der gemeinsame Nenner gefunden wird“, berichtet Gigler.
Über ein Jahr hinweg kam das Bürgerforum bereits fünfmal zusammen und diskutierte die Themen Prozess- und Artenschutz, Verkehr, Freizeitnutzung und Nationalpark und Region. In der sechsten und letzten Sitzung Anfang März werden alle Vorschläge und Anregungen zur Weiterentwicklung besprochen. „Dann werden finale Empfehlungen formuliert, die das Bürgerforum im Juli persönlich an Umweltministerin Thekla Walker übergeben wird“.
Alle Infos zur Beteiligung sowie Einblicke in die Ergebnisse gibt es auf der Website 'Nationalpark Schwarzwald im Dialog'
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Zur Person
Iris Lemanczyk
Bloggt im Auftrag der Nationalparkverwaltung aus dem Nationalpark Schwarzwald.
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