Forschungs-Nachwuchs: Unterwegs in der Wildnis
Im Nationalpark Schwarzwald wird ständig geforscht – wobei nicht nur die Natur, sondern auch der Mensch im Fokus steht. Für Studierende bietet der Nationalpark ein vielfältiges und spannendes Forschungsgebiet – so entstehen in Kooperation mit dem Nationalpark viele universitäre Abschlussarbeiten, wie Bachelor- und Masterarbeiten oder Dissertationen. Warum das für viele Studierende interessant ist und welche Vorteile sich aus der Kooperation für beide Seiten ergeben, hat Nationalpark-Bloggerin Judith Wildt Bastos herausgefunden.
Wie wirkt der Nationalpark Schwarzwald auf seine Gäste? Was erleben und sehen sie, wenn sie im Park unterwegs sind und wie kommunizieren sie das Erlebte untereinander? Das und vieles mehr wollte Barbara Laner wissen. Sie ist mittlerweile Promovierende der Sprachwissenschaften an der Universität Freiburg und hat zu diesem Thema für ihre Masterthesis im Nationalpark Schwarzwald geforscht. Sie sagt: „Ich will herausfinden, welchen Effekt der Nationalpark auf Besucherinnen und Besucher hat und dazu schaue ich im wahrsten Sinne des Wortes durch ihre Brille.“

Will heißen: Die 32-Jährige hatte für ihr Forschungsprojekt im Rahmen einer Forschungskooperation zwischen der Uni Freiburg und dem Nationalpark zwölf Wanderpaare mit sogenannten Eyetracking-Brillen des Nationalparks ausgestattet und ließ die Gäste auf einer vorher vereinbarten Strecke im Nationalpark wandern. Die Brillen, die aus einem ultraleichtem Gestell mit Kamera und integriertem Tonaufnahmegerät bestehen, zeichneten zuverlässig alle Pupillenbewegungen, Gesten und Gespräche der Wanderer auf. Diese Daten wurden von Barbara Laner und dem gesamten Team der Forschungskooperation mit dem Namen „Looking, Noticing and Talking. How walkers experience the Black Forest National Park“, bestehend aus Mitgliedern der Universität Freiburg (um Prof. Peter Auer) und dem sozialwissenschaftlichen Team im Nationalpark (Dr. Kerstin Botsch und Dr. Susanne Berzborn), später akribisch ausgewertet.
Der Fokus liegt bei der Auswertung auf der sprachlichen, körperlichen und mimischen Interaktion der Wanderer mit der Natur, das nennt man auch multimodale Interaktion. Diese Daten bilden das empirische Fundament von Barbara Laners sprachwissenschaftlichen Abschlussarbeit und den Untersuchungen der Eyetracking-Kooperation.

Universität trifft auf Nationalpark: für beide Seiten ein Gewinn
Barbara Laner war eine von vielen Kandidatinnen und Kandidaten, die ihre Abschlussarbeit in Kooperation mit dem Nationalpark Schwarzwald schreiben. Egal, ob Bachelor-, Master-, oder Promotionsarbeit – wissenschaftliche Arbeiten sind beim Nationalpark stets willkommen. Im sozialwissenschaftlichen Team wird mittlerweile in neuen Projekten erforscht, was Menschen Natur bedeutet. Zum einen die Wahrnehmung von sich verändernder Natur, insbesondere der Bewertung von Wald, z. B. wenn Bäume in einem ganz natürlichen Prozess absterben und zerfallen. Vielen Menschen ist dieses Bild unbekannt. Wie nehmen das Besucherinnen und Besucher wahr und wie beurteilen sie das?

Zum anderen wird in einem Projekt, das von der Volkswagen-Stiftung gefördert wird, der gesellschaftliche Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit beleuchtet. Und zwar mit ganz alltagsnahen Methoden wie tagebuchähnlichen Logbüchern und kleinen Aufgaben. „Zum Beispiel einmal einen Monat lang keine neue (billigproduzierte) Kleidung zu kaufen oder andere Challenges“, erklärt Kerstin Botsch. Sie untersucht gemeinsam mit Susanne Berzborn, Doktorand Daniel Bräunling und der studentischen Hilfskraft Merle Mühlberg, wie es als Gesellschaft gelingen kann, individuelles Handeln für die Natur positiv zu modellieren.

Dr. Jörn Buse, Käferspezialist im Nationalpark Schwarzwald, unterstreicht: „Wir können in der Forschung nicht alles selbst bewerkstelligen – selbstverständlich sind auch unsere Ressourcen beschränkt. Das bedeutet: Wir sind auf Partner an den Universitäten angewiesen.“ Aber auch den Studierenden bringt die Kooperation zwischen Universität und Nationalpark einen echten Mehrwert. Barbara Laner betont: „Schon in der Planungsphase meiner Masterarbeit war ich in die linguistisch-soziologische Forschungskooperation zum Eyetracking voll integriert und durfte jederzeit mitsprechen und meine eigenen Ideen miteinbringen – das war eine tolle Erfahrung.“ Ein weiterer Vorteil sei für sie gewesen, dass sie beim Nationalpark auf Menschen getroffen sei, die viel Erfahrung und Expertise in diesem Bereich ihrer Forschung haben: „Ich konnte da ganz viel für mich mitnehmen.“ Nachdem Barbara Laner ihre Masterthesis mittlerweile erfolgreich abgeschlossen hat, arbeitet sie aktuell an ihrer Dissertation, die ebenfalls im Rahmen des Kooperationsprojektes mit der Abteilung für Germanistische Linguistik an der Universität Freiburg entsteht. Auch für diese wissenschaftliche Arbeit kann sie alle Daten, die sie im Nationalpark erhoben hat, weiterverwenden.

Im Nationalpark ist mehr Raum für die Praxis wissenschaftlichen Arbeitens
Wie auch in der sozialwissenschaftlichen Abteilung des Nationalparks hat der Umweltwissenschaftler Jörn Buse schon viele Studierende im Nationalpark während ihrer Abschlussarbeit begleitet. Aus Erfahrung weiß er, dass es heute mitunter schwierig ist, wissenschaftliches Arbeiten an der Universität zu lernen, weil Praxis-Beispiele fehlen beziehungsweise viel zu kurz kommen. Er sagt: „Wie formuliere ich eine Hypothese so, damit sie überprüfbar wird? Oder: Wie bearbeite ich meine eigenen statistischen Daten? Das sind Themen, die an der Uni zurückgegangen sind, weil für die individuelle Betreuung der Studierenden keine ausreichenden Kapazitäten zur Verfügung stehen.“ Mit einem Augenzwinkern ergänzt Buse: „Wir im Nationalpark haben zwar auch viel zu tun – aber wir nehmen uns gerne die Zeit.“

Das kann Kerstin Botsch nur bestätigten: Aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist der Nationalpark ein ideales Gebiet, in dem über das Thema Natur sehr viel Menschliches ausgehandelt wird. Da gibt es politische Meinungsverschiedenheiten, alte Traditionen und Rituale rund um den Wald und neue Handhabungen zur Nutzung.“
Tierische Forschungspartner: Insekten, Spinnen & Laufkäfer
Der Nationalpark bietet den Studierenden nicht nur ein erfahrenes Team, sondern auch die nötige Infrastruktur zum Forschen. Das bedeutet ganz konkret: Beim Nationalpark Schwarzwald können Studierende auch Freilanduntersuchungen oder Interviews oder Beobachtungen vor Ort machen. Buse sagt: „Wir verfügen über die Flächen und können hier interessante, praxisrelevante Forschungsarbeiten durchziehen. Selbstverständlich ist es im Interesse des Parks, den Studierenden Einblicke in den Naturschutz und die biologische Forschung zu gewähren.“

Auf einigen dieser Freilandflächen, den sogenannten Grinden, haben Klara Friederich und Thomas Kimmich geforscht. Klara Friedrich aus Ludwigsburg studierte berufsbegleitend „Angewandte Umweltwissenschaften“ und untersuchte im Rahmen ihrer Masterarbeit, wie sich verschiedene Nutzungsformen auf den Grinden auf Gliederfüßler, sprich Insekten und Spinnen, auswirken.

Im Wesentlichen wollte sie herausfinden, welche Art der Pflege die höchste Biodiversität erreicht. Dazu hat sie auf den Grinden diverse Heidelbeer-Sträucher abgekeschert und alles, was dort kreucht und fleucht, eingefangen, um die Funde dann wissenschaftlich auszuwerten. Sie sagt: „Die Ergebnisse meiner Masterarbeit haben für den Nationalpark einen ganz praktischen Nutzen. Das ist für mich sehr befriedigend, weil die Mühen nicht umsonst sind.“

Ähnlich positiv berichtet Thomas Kimmich von seiner Felduntersuchung vor einiger Zeit im Nationalpark. Der Absolvent der Universität Tübingen hatte dieselben Flächen wie Klara Friederich auf den Grinden untersucht. Sein Augenmerk lag jedoch auf dem Boden, wo die große Mehrheit der heimischen Laufkäfer lebt. Mithilfe spezieller Bodenfallen hatte er die kleinen Tierchen im Rahmen des offiziellen Grindenmonitorings eingefangen. Was ihn dabei vor allem interessierte: Wie wirken sich die verschiedenen Beweidungsformen der Grinden auf die Artenzusammensetzung der Laufkäfer-Population aus. „Laufkäfer sind eine gut erforschte Insektengruppe. Sie reagieren sehr sensibel, wenn sich die Landnutzung ändert. Infolgedessen sind die Tiere ein guter Indikator für geeignete Naturschutzmaßnamen“, sagt Kimmich. Und er ergänzt weiter: „Mitunter waren die Untersuchung im Feld bei der Menge an Fallen ganz schön anstrengend – aber je mehr Daten, desto besser! Außerdem ist es toll, dass man hier im Nationalpark so viel Praxis mitbekommt. Das ist eine wichtige Ergänzung zur Lehre an der Universität Tübingen. Ich habe von den qualifizierten Mitarbeitern im Nationalpark sehr viel gelernt.“

Was am Ende zählt: Daten, Daten, Daten – oder doch nicht?
Über die gewonnenen Daten freut sich wiederum Jörn Buse. Er sagt: „Der Nationalpark hat viele naturschutzbezogene Maßnahmen in der Fläche, die leider selten evaluiert werden. Besser ist es jedoch, Daten zu erheben, die genau zeigen, welche Effekte die einzelnen Eingriffe haben.“ Will heißen: Wirken sich bestimmte Maßnahmen eher positiv oder negativ auf die Umwelt aus. Buse weiter: „Damit wir also Entscheidungen datenbasiert treffen können, helfen uns die Abschlussarbeiten enorm.“
Auch Klara Friederich denkt gerne an die Zusammenarbeit mit dem Nationalpark zurück. Die Studentin sagt: „Die Abstimmung und Zusammenarbeit mit Jörn war sehr eng. In der Regel hatten wir einmal in der Woche Kontakt. Ich nehme aus dieser Zeit ganz viel Neues für mich mit und klar ist der Nationalpark auch zufrieden, dass er die Daten hat. So kommen wirklich beide auf ihre Kosten.“
Bei den Sozialwissenschaften ist es um die Daten anders bestellt. „Bei Menschen kann es auch zu einer gewissen Befragungsermüdung kommen, wenn immer wieder Befragungen zu ähnlichen Themen durchgeführt werden“, erklärt Susanne Berzoborn. Daher müssten die Unfragen in der Region zu unterschiedlichen Themen (z.B. wie viele Besuchende wann ins Gelände kommen und wie viel Geld sie dalassen) gut abgewogen und umsichtig geplant werden. Kerstin Botsch sagt: „Wir können nicht alle Studierenden einfach so auf die Menschen loslassen, sondern trainieren sie auch, wie man gute Interviews führt und wägen Erfolgschancen im Team ab.“

Du willst deine Abschlussarbeit in Kooperation mit dem Nationalpark Schwarzwald angehen? Umweltwissenschaftler Dr. Jörn Buse und das Forschungsteam haben schon viele Studierende während ihrer Bachelor-, bzw. Masterarbeit oder Promotion im Nationalpark Schwarzwald betreut. Im Kurzinterview erklärt der Forscher, wie die Zusammenarbeit in der Regel konkret abläuft.
Herr Buse, wie finden Studierende und der Nationalpark zusammen?
Jörn Buse: Die Wege sind sehr unterschiedlich. Klara Friederich hat mich zum Beispiel bei einem Vortrag bei ihrer Arbeit erlebt und mich daraufhin kontaktiert. Von Barbara Laner weiß ich, dass sie über eine bereits bestehende Kooperation zwischen dem sozialwissenschaftlichen Bereich und der Uni Freiburg zu einem Forschungspraktikum in den Nationalpark kam. Daraus hat sich dann auch die Masterarbeit entwickelt. Interessierte Abschlusskandidaten dürfen sich bei Interesse gerne an unseren Fachbereich oder meine Kolleginnen und Kollegen im sozialwissenschaftlichen Fachbereich wenden.
Wie finden Studierende ein passendes Thema für ihre Bachelor- oder Masterarbeit?
Jörn Buse: Meistens biete ich den Studenten zwei oder drei Themen zur Auswahl an. Die wenigsten bringen ein eigenes Thema mit, aber sie wissen in der Regel, was sie interessiert – Vegetation oder Tiere zum Beispiel. Oft hängt die Themenwahl von individuellen Vorkenntnissen ab. Und natürlich hat die Themenauswahl auch mit zeitlichen Kapazitäten zu tun. Manche junge Leute haben neben dem Studium Nebenjobs – das sind alles wichtige Faktoren, die wir am Anfang besprechen. Interessierte Studierende haben bei uns die Möglichkeit ihre Abschlussarbeit in ganz unterschiedlichen Themenbereichen zu schreiben.
Und wie geht’s dann weiter?
Jörg Buse: Wenn das Thema steht, besprechen wir den groben Leitfaden, das heißt, das sogenannte Proposal. Dieser zwei- bis dreiseitige Text umfasst die Aufgabenstellung, Methoden und den Zeitplan. An dieser Struktur oder diesem Leitfaden können sich die Studierenden im weiteren Verlauf gut orientieren und es hilft mir bei der Betreuung. Und dann geht es schließlich los! Nach einer kurzen Anlernphase gehen die Studenten selbstständig ins Gebiet. Manchmal gibt es Themenstellungen, die verschiedene Aspekte umfassen und im Konglomerat stattfinden, wie bei Kimmich und Friederich auf den Grinden. Sie arbeiten an unterschiedlichen Aspekten, aber im gleichen Setting. Das kommt häufig vor.
An welchen Punkten gibt es Kontakt zwischen Ihnen und den Studierenden?
Jörg Buse: Ich bin mit den Studierenden regelmäßig in engem Austausch. Natürlich ist der Kontakt immer an größere Fortschritte der Arbeit gebunden. Wenn beispielsweise die Feldaufnahme abgeschlossen ist oder ein erster Teil der Ergebnisse fertig ist, gibt es eine Rückmeldung von mir. Es kommt auch immer ein bisschen darauf an, wie die Arbeit an der jeweiligen Universität betreut wird. Erfahrungsgemäß bleibt da viel an uns hängen – aber das ist nicht tragisch, das machen wir gerne.
Bezahlt der Nationalpark Schwarzwald den Studierenden ein Entgelt für die Arbeit?
Jörg Buse: Nein, das tun wir nicht. Aber alle Auslagen, wie zum Beispiel Fahrkosten oder materielle Dinge, werden vom Nationalpark Schwarzwald erstattet.
Was passiert beim Nationalpark, wenn die Arbeit fertig ist?
Jörg Buse: Die Ergebnisse fließen selbstverständlich in unsere tägliche Forschungsarbeit sowie in das praktische Naturschutzmanagement ein. Die Ergebnisse einzelner Arbeiten eignen sich auch für eine Veröffentlichung. Außerdem stellen wir die Abschlussarbeiten in unserem regelmäßig stattfindenden Herbstkolloquium vor. Das ist ein interner Kreis, der aber auch offen für externe Gäste ist.
Mehr über die Forschungsbereiche und alle Kontaktdaten findet ihr hier:
Weitere Nachrichten
Hinterlasse uns einen Kommentar:
Zur Person

Judith Wildt Bastos
Bloggt im Auftrag von Kresse & Discher für den Nationalpark Schwarzwald.
Fragen zum Thema?
Nationalpark-Pressestelle
Tel.: +49 7449 92998-14
pressestelle@nlp.bwl.de
Kommentare
Aktuell sind noch keine Kommentare vorhanden.