Was die Luft über die Vielfalt der Pilzarten auf der Welt verrät
Neue Erkenntnisse durch Global Spore Sampling Project
Zusammenfassung
- Das Global Spore Sampling Project (GSSP) ist die erste Studie, die einen umfassenden Überblick über die weltweite räumliche und saisonale Dynamik von Pilzen über eine standardisierte Luftprobenahme von Pilzsporen gibt.
- Eine Probennahme erfolgte an 47 Standorten weltweit, in drei Klimazonen und auf allen Kontinenten außer der Antarktis.
- Die Ergebnisse zeigen, dass die räumlich-zeitlichen Muster der Artenvielfalt und der Zusammensetzung der Pilzgemeinschaften weitgehend durch die mittlere jährliche Lufttemperatur bestimmt werden. Das bedeutet, dass die höchste Artenvielfalt - wie bei den meisten anderen Organsimengruppen auch - am höchsten in den äquatornahen Tropen besteht.
- Es gibt da aber auch Ausnahmen, z. B. Flechten, Mykorrhizapilze von Heidegewächsen und Ektomykorrhizapilze, die ihre höchste Vielfalt in gemäßigten Regionen hatten.
- Es wurde eine starke Saisonalität für bestimmte Pilzartengruppen aufgezeigt, was darauf hinweist, dass einige Pilzgruppen nur für kurze Zeit Sporen bilden. Das ist auch bei uns gut zu beobachten, mit dem Herbst als absolute Pilzzeit.
- Ein weniger erwartetes Ergebnis: Auch die Sporenverbreitung über den Wind führt nicht zu einer gleichmäßigen Verteilung aller Pilzarten auf der gesamten Erde, sondern in den verschiedenen Regionen der Welt gibt es verschiedene und verschieden viele Pilzarten.
Hintergrund
Die biologische Vielfalt von Mikroorganismen wie Pilzen und Bakterien ist trotz ihrer ökologischen und wirtschaftlichen Bedeutung in vielen Ökosystemen noch weitgehend unerforscht. Pilze, die zu den vielfältigsten und ökologisch bedeutendsten Organismen gehören, spielen entscheidende Rollen in terrestrischen (erdgebundenen) Ökosystemen. Sie fungieren als Zersetzer, Symbiosepartner (z. B. Mykorrhiza und Flechten) und Parasiten (wie z. B. Krankheitserreger an Pflanzen oder Tieren) fast aller terrestrischen Organismen. Bislang wurden etwa 156.000 Pilzarten wissenschaftlich beschrieben, während Schätzungen die tatsächliche Anzahl auf 0,5 bis 10 Millionen Arten beziffern.
Anders als Blütenpflanzen verbreiten sich Pilze über Sporen, die sie in die Umgebung entlassen. Zahlreiche Pilzarten nutzen den Wind als Transportmittel ihrer Sporen. Um diese Gruppe geht es in dem hier vorgestellten Projekt.
Das Global Spore Sampling Project
Forscherinnen und Forscher der Universität Jyväskylä in Finnland haben mit dem Global Spore Sampling Project (GSSP) eine weltweite Untersuchung von Luftsporen ins Leben gerufen. Im Rahmen des GSSP wurden an 47 Standorten auf allen Kontinenten außer der Antarktis Luftproben genommen. Einer dieser Standorte ist der Wilde See im Nationalpark Schwarzwald. Über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr wurden an jedem Standort wöchentlich zwei 24-Stunden-Proben gesammelt. Diese Proben wurden DNA-sequenziert, wobei ein Teil der ribosomalen internen transkribierten Spacer-Region (ITS) als molekularer Barcode für Pilze verwendet wurde (mehr dazu in der Infobox). Um räumlich-zeitliche Muster und die zugrundeliegenden ökologischen Faktoren zu analysieren, wurden die Pilzdaten durch Umwelt- und Merkmalsdaten (z. B. Höhenlage, geographische Breite, Jahresniederschlag) ergänzt.
Erwartungen und Erkenntnisse
Die Forschungsgemeinschaft erwartete von dieser globalen Untersuchung im Wesentlichen zwei Ergebnisse:
- Die Zusammensetzung der Pilzgemeinschaften unterscheidet sich deutlich in den verschiedenen bioklimatischen Zonen.
- Die Muster übers Jahr von Luftsporen verbreitenden Arten variieren mit dem Breitengrad und den Wetterbedingungen (z. B. ein überdurchschnittlich niederschlagsreiches Jahr oder Klima).
Die Ergebnisse zeigten tatsächlich, dass die Diversität von Pilzen bioklimatischen Zonen folgt, ähnlich wie bei größeren Organismengruppen. Dies unterstützt die Annahme, dass pilzliche Lebensgemeinschaften über große Entfernungen räumlich strukturiert sind. Oder einfach ausgedrückt: Nicht alles kommt überall vor. Gerade bei Pilzen, von denen sich viele über Luftsporen verbreiten, nahm man lange Zeit an, dass diese Art der Verbreitung auch gut über sehr weite Distanzen funktioniere, aber die Ergebnisse widerlegen diese Annahme zumindest teilweise.
Nur wenige Pilzarten wurden in allen drei untersuchten Klimazonen nachgewiesen, hauptsächlich Arten der Schlauchpilze (Ascomycota), die sowohl im Boden als auch in der Luft häufig vorkommen und sich zudem häufig mit asexuellen Sporen verbreiten können. Die meisten Pilzarten wurden jedoch nur in einer Klimazone nachgewiesen, und ihre Verteilung hing stark von den klimatischen Bedingungen ab. Besonders bemerkenswert ist, dass die mittlere Jahrestemperatur die größte Rolle bei der Artenzusammensetzung der Pilze spielte.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie zeigt die Bedeutung der Jahreszeiten und lokalen Wetterbedingungen. In der Arktis war die jahreszeitliche Schwankung der Pilzvielfalt am größten. Die Ergebnisse bestätigen auch frühere Studien, die gezeigt hatten, dass tropische Regionen eine hohe Pilzvielfalt aufweisen. Ausnahme bilden nur bestimmte Gruppen wie Ektomykorrhizapilze, die in borealen und gemäßigten Zonen artenreicher sind. Die saisonale und räumliche Verteilung von Pilzsporen variiert, wobei asexuelle Sporen (z. B. Schimmeln) mit zunehmendem Abstand zum Äquator kleiner werden und sexuell gebildete Sporen größer (in Fruchtkörpern).
Die Studie unterstreicht die Rolle der Temperatur als grundlegenden Treiber der Pilzdynamik (mehr und andere Artenzusammensetzung mit steigender Temperatur). Diese Erkenntnisse sind besonders relevant im Kontext des globalen Klimawandels, der die Struktur von Pilzgemeinschaften weltweit verändern könnte.
Insgesamt hat das Global Spore Sampling Project einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der globalen Verteilung und Dynamik von Pilzen geleistet. Außerdem konnte gezeigt werden, dass die Luftprobenahme eine effektive Methode ist, um die komplexe und vielfältige Welt der Pilze zu erforschen und die ökologischen Faktoren zu verstehen, die ihre Verteilung bestimmen. Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Forschung, um die vielfältige und oft verborgene Welt der Pilze besser zu verstehen und zu schützen.
Infobox: Metabarcoding
Neue Technologien und Analysemethoden haben bahnbrechende Möglichkeiten eröffnet, die biologische Vielfalt auf großen räumlichen und zeitlichen Skalen besser zu erfassen und zu verstehen.
Metabarcoding ist eine Technik, die DNA-Sequenzierung verwendet, um viele verschiedene Arten von Organismen gleichzeitig in einer Umweltprobe zu identifizieren. Anstatt jede Art einzeln zu identifizieren, können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Tausende von Arten auf einmal bestimmen.
So funktioniert Metabarcoding
Zunächst werden Proben aus der Umwelt gesammelt. Bei der Untersuchung von Pilzen können diese Proben z. B. aus Boden, Wasser, Luft oder auch anderen Organismen stammen. Aus diesen Proben wird die DNA extrahiert. DNA ist das Erbgut, das alle Informationen über einen Organismus enthält.
Ein spezieller Abschnitt der DNA, der als Barcode (möglichst eineindeutiger Abschnitt für eine Art, wie ein Artikel im Supermarkt) dient, wird vervielfältigt. Dieser Abschnitt ist bei vielen Organismen unterschiedlich, was es ermöglicht, verschiedene Arten zu unterscheiden.
Die vervielfältigten DNA-Abschnitte werden dann sequenziert, das heißt, die genaue Reihenfolge der DNA-Bausteine wird bestimmt. Schließlich werden die DNA-Sequenzen mit Datenbanken bekannter Referenzsequenzen verglichen, um die Arten zu identifizieren, die in der Probe vorhanden sind.
Vor- und Nachteile von Metabarcoding
Vorteile: Da viele Arten gleichzeitig identifiziert werden, wird die Analyse schneller und effizienter. Über diese Methode können auch seltene oder schwer zu identifizierende Arten oder Arten, die gerade keine Fruchtkörper ausbilden, entdeckt werden. Metabarcoding kann standardisiert in verschiedenen Umweltproben angewendet werden, von Boden über Wasser bis hin zur Luft.
Nachteile: Für viele Artengruppen sind die Datenbanken immer noch lückenhaft. Ohne Referenzsequenz kann eine Art nicht genau bestimmt werden. Auch ein einziger DNA-Abschnitt funktioniert oft nicht für alle Organismen einer Verwandtschaftsgruppe wie z. B. den Pilzen gleich gut. Somit werden bestimmte Arten schlechter erfasst. Und das Vorkommen einer Art in einer Umweltprobe, sagt uns wenig darüber aus, was die Art „dort macht“, z. B. ist diese überhaupt in der Lage, an diesem Standort Fruchtkörper zu bilden, oder in welchem Zustand befindet diese sich.
Trotzdem ist Metabarcoding ein wichtiges Werkzeug, das es ermöglicht, die Vielfalt von z. B. Pilzen in der Umwelt auf einfache und effiziente Weise zu untersuchen. Diese Technik hilft Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Rolle von Organismen in Ökosystemen besser zu verstehen und wichtige Umweltfragen zu beantworten.
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Zur Person
Dr. Flavius Popa
Pilzexperte des Nationalpark Schwarzwald
Tel.: +49 7442 18018 240
flavius.popa@nlp.bwl.de
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