Den Totengräbern auf der Spur

Unterwegs mit Käferspezialist Jörn Buse

20.06.2025 von Iris Lemanczyk, Andreas Forch in Kategorie : Blog
  • Manche sind bunt, andere tragen Tarnfarben oder Tarnmuster. Manche sind länglich, rund, spitz oder flach. Einige sind weniger als einen Millimeter klein, andere fast so groß wie eine Hand. Allein in Baden-Württemberg gibt es über 5000 Arten, im Nationalpark etwa 1600. Und Jörn Buse kennt fast alle. Die Rede ist von Käfern, Fachbegriff Coleoptera.

     

    Es ist einer dieser kalten Frühlingstage, die Käfer sind noch nicht sehr aktiv. Jörn Buse, Sachbereichsleiter für wirbellose Tiere und Biodiversität, weiß aber, wo er welche findet. Im Totholz. „Viele Käfer nutzen das Holz. Der Hirschkäfer etwa kann wie mehr als 1500 Käferarten ohne Totholz nicht leben. Viele Laufkäfer überwintern im Totholz, aber auch Asseln, Hummeln oder Tausendfüßler“, meint Buse und greift zum Zimmermannshammer.

    Auf einen schön zersetzten Baumstamm, der auf dem Waldboden liegt, schlägt er zwei-, dreimal mit dem Hammer. Holz fällt ab und schon zeigt sich eine kleine, ausgenagte Höhlung, in der es sich ein einzelner Käfer gemütlich gemacht hat. Und der bestimmt nicht erfreut ist, dass wir ihn in seiner Überwinterung stören.

     

    „Ein Großlaufkäfer, eine Goldleiste, ein Weibchen.“ Das sieht Jörn Buse auf den ersten Blick. Unglaublich. Ich sehe nur einen Kopf mit Fühlern, die sich nun schon etwas munterer bewegen, einen Panzer und sechs Beinchen. Frau Goldleiste darf in einem Becher mit zu Jörns Arbeitsplatz, wo sie einen Parcours absolvieren soll. Zu Forschungszwecken natürlich, um die Laufaktivität verschiedener Arten zu erfassen.

    Wie kommt man dazu, sich für Käfer zu interessieren?

    Eine Frage brennt mir auf den Nägeln: Wie, bitteschön, kommt man denn dazu, sich für Käfer zu interessieren? „Ich habe Umweltwissenschaften in Lüneburg studiert. Mein Doktorvater war Käferspezialist. Seine Arbeit hat mich fasziniert, so hat es mich auch gepackt“, sagt Jörn. Danach ging es für ihn an die Uni in Mainz, wo er an den Auswirkungen des Klimawandels auf Biodiversität in Rheinland-Pfalz geforscht hat. Anschließend war er an der Uni in Landau, Mai 2016 kam er zum Nationalpark.

    Die Traumstelle

    „Ich würd‘ schon sagen, dass das meine Traumstelle ist. Eine Mischung aus wissenschaftlichen Dingen und Naturschutzmanagement.“ Er schwärmt von der hohen Artenvielfalt bei Käfern, von ihrer körperlichen Anpassung, dass Schwimmkäfer andere Beinchen haben als Laufkäfer, von ihren Mundteilen. Und er verrät, dass er sich auch mal ein Urlaubsziel nach den dort vorkommenden Käfern aussucht.

    Ich dachte, dass Jörn die meiste Arbeitszeit draußen verbringt. Aber nein. „Meine Arbeit findet zu 90% am Rechner oder im Labor statt. Das Material vom Gelände muss mit Fachliteratur und unterm Mikroskop bestimmt, dann dokumentiert werden. Ich betreue Abschlussarbeiten von Unis, außerdem gibt es viel Logistik zu erledigen.“

    Aasfressende Käfer

    Aber wir sind nun im Gelände unterwegs. Zwischen Heidelbeersträuchern und Heidekraut wollen wir uns die Arbeit von aasfressenden Käfern anschauen. Oder deren getane Arbeit, denn wir stehen vor einem Skelett. Weiße Rippenknochen und Rückenwirbel eines Wildtiers liegen im Gras.

    Vor vier Monaten wurde die damals überfahrene Hirschkuh hierher gebracht. Und nun sind nur noch ein paar Knochen übrig. Während Totholz über Jahrzehnte hinweg abgebaut wird, geht es bei einem toten Tier viel schneller. „Wenn man die Zersetzung toter Tiere über einen längeren Zeitraum beobachtet, wird deutlich, wie viel Leben ein totes Tier beherbergt und hervorbringt. Der Kreislauf des Lebens offenbart sich am Aas wie ein Zeitraffer im Vergleich zur Zersetzung abgestorbener Bäume“, sagt Jörn.

    Das erklärt auch, warum so selten tote Tiere im Wald zu sehen sind. „Ökologisch bedeutsam für den Abbauprozess sind vor allem die als Totengräber bekannten Aaskäfer, von denen es im Nationalpark sieben verschiedene Arten gibt. Sie sind als Gesundheitspolizei im Wald unterwegs, vergraben kleinere Kadaver sofort und verwerten das Fleisch größerer Kadaver schnell.“

    Deutsches Forschungsprojekt

    Noch bis 2027 gibt es dazu ein Forschungsprojekt aller deutschen Nationalparks, das sich dem „Belassen von Wildtierkadavern in der Landschaft“ widmet, damit man mehr über das Zusammenspiel der verschiedenen Arten bei der Verwertung von Aas herausfinden kann.

    Und ich werde in Zukunft genauer hinschauen, was da so krabbelt.

    Kommentare

    Aktuell sind noch keine Kommentare vorhanden.

    Hinterlasse uns einen Kommentar:

    Verbleibende Zeichen: 600

    Zurück

    Zur Person

    Iris Lemanczyk

    Iris Lemanczyk

    Bloggt im Auftrag der Nationalparkverwaltung aus dem Nationalpark Schwarzwald.

     

    Fragen zum Thema?

    Nationalpark-Pressestelle

    Tel.: +49 7449 92998-14
    pressestelle@nlp.bwl.de

    Andreas Forch

    Andreas Forch

    Arbeitet mit Bloggerin Iris im Team und macht die Bilder und Videos für ihre Blogbeiträge.