Führungen für blinde und sehbehinderte Menschen?

28.03.2024 von Dr. Susanne Berzborn in Kategorie : Nationalparkforschung
  • Die gibt’s im Nationalpark Schwarzwald!

    Inklusion und Naturschutz. Beides brauchen wir für eine nachhaltige und gerechte Zukunft. Auch deshalb hat sich der Nationalpark Schwarzwald das Ziel gesetzt, allen Menschen einen guten Zugang in den Nationalpark zu eröffnen. So werden Führungen beispielsweise in Deutscher Gebärdensprache oder für sehbehinderte und blinde Menschen angeboten.

    Aber wie kommen diese Führungen an? Wird die Zielgruppe erreicht? Und wie können noch bestehende Barrieren identifiziert und abgebaut werden?

    Diese Fragen stellten sich im März 2023 Louisa Bahl, Masterstudentin an der Universität Freiburg, und Dr. Susanne Berzborn, sozialwissenschaftliche Mitarbeiterin im Nationalpark. Schnell waren sie sich einig: Der Bedarf ist da, die Kooperation beschlossen. Im Fokus sollten Führungen für sehbehinderte und blinde Menschen stehen.

    Nach einer Probetour mit einer Rangerin machte sich Louisa mit Feuereifer daran, die Forschung in Kooperation mit dem Nationalpark zu konzipieren und interessierte Teilnehmende zu gewinnen.

    Um ein möglichst umfassendes Bild von den Führungen, den Bedarfen und Meinungen der Teilnehmenden zu erhalten, hat Louisa verschiedene sozialwissenschaftliche Methoden angewandt: Sie hat mit den Menschen im Vorfeld am Telefon gesprochen, während der Führungen teilnehmende Beobachtungen gemacht und im Anschluss an die Führungen Gruppeninterviews geführt. Das strukturierte Vorgehen mit Erhebungen vor und nach der Führung ermöglichte detaillierte Einblicke. Das Resultat: Zwei Führungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, inspirierende Gespräche, viel Gelächter und eine gute Datengrundlage.

    Die erste Wanderung, die fester Bestandteil des Jahresprogramms des Nationalparks war, fand bei strahlendem Sonnenschein mit fünf Teilnehmenden und einem Blindenhund statt.

    Über sieben Sinnesstationen führte die Rangerin die Gruppe vier Kilometer durch die Kernzone des Nationalparks (Abb. 1).

    Der Termin für die zweite Gruppe, zu der sich sieben Personen angemeldet hatten, fiel dagegen buchstäblich ins Wasser: Nach nur fünf Sinnesstationen war die Gruppe dankbar für den heißen Tee und das Dach der Waldhütte.

    Bei beiden Führungen konnten die Teilnehmenden an vielfältigen Stationen Wissen zum Borkenkäfer erlangen (Abb. 2) oder ein Hinweisschild auf die Kernzone des Nationalparks ertasten (Abb. 3). Sie konnten an Walddüften schnuppern, verschiedene Gegenstände erfühlen oder Geräusche den vier Himmelsrichtungen zuordnen – alle Stationen wurden von den Teilnehmenden interessiert aufgenommen.

    Im Anschluss an die Wanderung befragte Louisa die blinden und sehbehinderten Teilnehmenden im Gruppengespräch nach ihrem Wohlbefinden, ihren Sinneserfahrungen und welche Barrieren in Zukunft noch wie abgebaut werden könnten.

     

    Welche Ergebnisse haben wir?

    Ihr eigenes Wohlbefinden, ihr Sicherheitsgefühl und die Sinnesstationen bewerteten die Teilnehmenden positiv. Der Großteil der Erwartungen konnte erfüllt werden. Sowohl eine Seheinschränkung als auch Schlechtwetter wurden nicht unbedingt als begrenzende Faktoren wahrgenommen, sondern können eine Vielzahl an Erfahrungen bieten. So konnten sich die Teilnehmenden beispielsweise darauf einlassen, anstatt Vogelgezwitscher dem Regen auf dem Regenschirm zu lauschen.

    Als die beiden größten Barrieren wurden Begleitperson und Transport identifiziert: „Wenn wir passende Begleitpersonen haben […] und der ÖPNV richtig funktionieren würde, wäre das eine super Sache!“, bringt es einer der Teilnehmenden auf den Punkt. Dem könnte der Nationalpark begegnen, indem er Mitarbeitende im Führen von beispielsweise blinden Personen schult und diese bei Bedarf anbietet. Die unzuverlässigen, teils sehr langwierigen ÖPNV-Verbindungen können mit einem Sammeltreffpunkt, regelmäßigeren Fahrzeiten oder Fahrgemeinschaften in Zukunft ergänzt werden. Die meisten Teilnehmenden würden für eine solche oder sogar längere Führung wieder in den Nationalpark kommen. Beide Gruppen stellten zudem fest, dass der gemeinsame Austausch und das Gruppengefühl zur positiven Stimmung beitrugen.

    Haben Sie Interesse, an einer Führung für Menschen mit Sehbehinderungen teilzunehmen?

    Die nächste Führung für Menschen mit Sehbehinderung oder Erblindung findet schon am 12. April 2024 statt! Am 26. Juli 2024 wird eine weitere Führung angeboten.

    Ausführliche Informationen zur Führung finden Sie zum nachlesen in diesem PDF.

    Bitte melden Sie sich dafür über unsere Veranstaltungsseite oder direkt bei Frau Svenja Fox, Tel.: +49 172 3 80 91 97, an. Der Nationalpark Schwarzwald freut sich auf Sie!

    Für Fragen zum Projekt stehen Louisa Bahl und Susanne Berzborn gern zur Verfügung. Für Fragen rund um Barrierefreiheit im Nationalpark wenden Sie sich gerne an Frau Sandra Olbrich, Tel. +49 162 5621478.

     

    Dieser Beitrag basiert auf einer Vorlage von Louisa Bahl und wurde von Susanne Berzborn bearbeitet.

    Bahl, L. (2023): „Experiences, barriers and development impulses of blind and low vision people – a case study on guided forest tours in the Black Forest National Park”. Unveröffentlichte Masterarbeit, MSc Environmental Governance, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Forschungsvorhaben geprüft durch Ethik-Komitee Freiburg.

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