Wohnzimmer mit Waldblick

26.10.2022 von Iris Lemanczyk, Andreas Forch in Kategorie : Blog
  • Ich gestehe, es ist mein erstes Mal, obwohl es bereits seit Frühjahr 2021 möglich gewesen wäre. Jetzt endlich bin ich am Ruhestein, schaue aufs Besucherzentrum des Nationalparks – und staune. Staune über die Übung in Understatement, denn das Besucherzentrum steht nicht als architektonischer Solitär auf der grünen Wiese und lässt sich von allen Seiten bewundern, sondern fügt sich ins Waldbild ein, verschwindet beinahe im Wald.

    Schindeln, Schindeln, Schindeln

    Dafür sorgen sicherlich auch die 630 000 Schindeln, meist aus heimischer Fichte, die an die Außenfassade genagelt sind. Die Schindeln haben Ähnlichkeit mit der Baumrinde der umstehenden Tannen und Fichten. Diese 630 00 Schindeln sind übrigens von Hand entstanden und von Hand angebracht. Was für eine Arbeit! Insgesamt sollen vier Millionen Nägel verbaut worden sein, sicherlich ein Großteil davon beim Anbringen der Schindeln.

    Nichts wie rein ins Besucherzentrum, das auch das „Wohnzimmer des Nationalparks“ genannt wird. Hell ist es im Foyer und modern und aus Weißtanne. Ein schickes Wohnzimmer. Aber eigentlich habe ich das Gefühl, im Wald zu sein. Denn durch die Panoramaverglasung sind die Stämme der umstehenden Nadelbäume zum Greifen nahe. Wohnzimmer mit Waldblick.

    Zum Skywalk

    Bevor ich mir die Dauerausstellung anschaue, zieht’s mich in die Höhe. Zum Skywalk. Ein 60 Meter langer Steg in Baumwipfelhöhe. Während ich mich an die Höhe gewöhne, frage ich mich, wie dieser Skywalk-Riegel wohl zwischen die Bäume gepfriemelt wurde? War doch eine der Vorgaben für den Bau des Besucherzentrums, dass so wenig Bäume wie möglich gefällt werden dürfen. Dieser Baumwipfelpfad führt zu einem 35 Meter hohen Turm. Für die Mühen des Aufstiegs werde ich mit einem grandiosen Blick belohnt. Bäume, Wald, Schwarzwald so weit das Auge reicht. So muss sich ein Vogel fühlen, denke ich.

    Kurz darauf breite ich tatsächlich meine Schwingen aus. Na ja oder so ähnlich. In der 1000 Quadratmeter großen Dauerausstellung darf man nämlich ein Falke sein und über den Schwarzwald gleiten. Fliegen mit Gewichtsverlagerung, vielleicht so, wie die Falken fliegen? Solche technischen Gimmicks machen Spaß, genauso das Klavier, auf dem man nicht „Pour Elise“ klimpern kann, sondern Tierstimmen hört.

    Der Wald erzählt

    Aber eigentlich ist der Wald Gastgeber der Ausstellung. Er erzählt von sich, von seinen Bewohnern, von Sommer und Winter, von Tag und Nacht, von Flora und Fauna, von Vielfalt und Zeit. Scheinbar Bedeutungsloses wird in den Vordergrund gerückt: Flechten, Pilze, Käfer, Moose, wie etwa das besenförmige Gabelzahnmoos, von dem ich zuvor nie etwas gehört hatte. Und natürlich erzählt der Wald, wie alles mit allem zusammenhängt. Der Wald erzählt so überzeugend, dass ich das Gefühl habe, mein Umweltbewusstsein wächst von Minute zu Minute.

    Futuristisch wird es eine Etage tiefer, im vielfach vergrößerten Waldboden. Ein Besuch in einem Kommunikationsnetzwerk von Pilzen und Mikroorganismen. Es hat etwas von Raumschiff Enterprise beim Erkunden neuer Galaxien. Oder wie soll ich es nennen, wenn Schleimpilze, die in der Realität als winzige einzellige Lebewesen existieren, hier durch Ikea-Lampen mit Stielen aus Silikon dargestellt werden? Nebenan, in einer Art Spiegelsaal, drohe ich mich in einem Labyrinth aus Myzelfäden zu verlieren. Die Botschaft ist eindeutig: Unter der Erde besteht ein gewaltig großes Öko- oder Kommunikationssystem oder ein Netzwerk aus Pilzen und Fäden, das wir noch nicht mal im Ansatz kennen.

    Schutzwürdigkeit der Natur

    Ich gehe durch das magische Halbdunkel der Ausstellung, freue mich, was es zu entdecken gibt, gleichzeitig wird mein Verständnis für die Schutzwürdigkeit der Natur geweckt. Ach, geweckt ist es eigentlich schon lange, schon immer. Aber manchmal rückt es halt ins Hintertreffen. In der Ausstellung wird es wieder in die erste Reihe katapultiert.

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    Zur Person

    Iris Lemanczyk

    Bloggt im Auftrag der Nationalparkverwaltung aus dem Nationalpark Schwarzwald.

     

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    Andreas Forch

    Arbeitet mit Bloggerin Iris im Team und macht die Bilder und Videos für ihre Blogbeiträge.