Kreuzotter - die heimische Giftschlange

Reptil des Jahres 2024

12.01.2024 von Iris Lemanczyk in Kategorie : Blog
  • Es ist einer dieser letzten, warmen Herbsttage. Ich bin im Nationalpark unterwegs. Da raschelt etwas im Gebüsch. Schlängelt es sich davon? Ich könnte wetten, dass es sich um eine Schlange handelt. Womöglich eine Kreuzotter?

    Was weiß ich eigentlich über Kreuzottern? Nur, dass es eine heimische Giftschlange ist. Und, dass sie in Baden-Württemberg auf der Roten Liste der bedrohten Arten steht. Und natürlich, kenne ich Severin, das Kreuzotterjunge, das zusammen mit der Gartenschläferin Lotta, dem Widderbock Ferdinand und der Sperrlingskäuzin Ottilie als Maskottchen beim Nationalpark angestellt ist. Und, dass die Kreuzotter zum Reptil des Jahres 2024 auserkoren wurde. That’s it. Reichlich wenig.

    Ich wandere weiter und frage mich: Wo leben Kreuzottern eigentlich? Wie verbringen sie den Winter? Und wie sehen sie überhaupt aus?

    Die Expertin

    Im Nationalpark gibt’s für alles eine Expertin oder einen Experten. Esther del Val Alfaro ist eine Expertin, eigentlich ist sie Ornithologin, kennt sich also mit Vögeln aus. Sie untersucht, wie sich die Brutvögel im Nationalpark entwickeln. Aber sie weiß auch richtig viel über Reptilien, Amphibien und Säugetiere.

     

    Esther bei der Arbeit. Foto: © Winfried Rothermel

    Esther macht gleich mal klar, dass in Baden-Württemberg zwei Giftschlangen heimisch sind: die Aspisviper (Vipera aspis) und die Kreuzotter (Vipera berus). „Die Aspisviper ist nur sehr lokal im Südschwarzwald beheimatet. Die Kreuzotter ist weiter verbreitet. Sie ist in den höheren, kühleren Lagen des Schwarzwalds und der Schwäbischen Alb zu finden, aber auch in den Moorgebieten des Allgäus und Oberschwabens.“

     

    Das Zickzackmuster ist gut zu erkennen, allerdings nicht bei den schwarzen Exemplaren. Foto: © Walter Finkbeiner

    Ich lerne, dass Kreuzottern unterschiedlich gefärbt sind – von braun, grau, rotbraun bis schwarz. Im Nordschwarzwald, also auch im Nationalpark, sind sie oft ganz schwarz, sodass sie im Volksmund auch „Höllenotter“ genannt werden.

    Esther erklärt, warum das mit dem Schwarz so ist: „Eine vollständig dunkle Färbung ist in den höher gelegenen und damit kühleren Lagen von Vorteil. Dunklere Tiere können sich bei Sonneneinstrahlung besser aufheizen. Und damit sind sie schneller aktiv als heller gefärbte Exemplare.“

     

    Die Sache mit dem Zickzackmuster

    Egal ob schwarz oder grau, alle Kreuzottern zeigen ein Zickzackmuster auf dem Rücken. Das ist das namensgebende Erkennungsmerkmal – eigentlich... denn bei den schwarzen Kreuzottern sieht man ausgerechnet das Zickzackmuster nicht. Aber wie alle anderen Exemplare hat es einen länglichen, dreieckigen Kopf und senkrechte Pupillen. Klingt irgendwie unangenehm. Aber was mir gefällt ist, dass ältere Weibchen größer sind als die Männchen.

    Freund oder Feind? Foto: © Walter Finkbeiner

    Dafür sind die Männchen die besseren Tänzer. Was im Volksmund als „Hochzeits-Tanz“ bezeichnet wird, ist alles andere als ein Fest. Bei so einem Tanz geht es bei rivalisierenden Männchen nicht sehr freundschaftlich zu. Sie tragen nämlich Kämpfe um die Rangordnung aus. Und natürlich geht es dabei um Weibchen. Die lassen während der Paarungszeit ihre Eier im Körper reifen und verbringen hierfür viel Zeit mit Sonnenbaden. Treffen sie auf ein Männchen, so wird gleich heftig gebalzt. Dabei kann es stunden- oder gar tagelang dauern, bis das Weibchen die Paarung zulässt.

    So eine lange Balz kann durch andere Männchen gestört werden, was dann in einem Kampf enden kann. Dabei umschlingen sich die Gegner mit ihren meist aufgerichteten Oberkörpern und versuchen sich gegenseitig wegzustoßen.

    Die Weibchen brüten ihre Eier im Körper aus und bringen einmal pro Jahr sieben bis elf Junge zur Welt. Die Kleinen sind von Geburt an auf sich allein gestellt.

    Eine Kreuzotter genießt ihr Sonnenbad © Arne Kolb (Nationalpark Schwarzwald)

    Wenn die Kreuzotter beißt…

    Klar, dass ich Esther nach Bissverletzungen fragen muss. Schließlich handelt es sich um eine Giftschlange. „Bissverletzungen sind selten“, meint sie beruhigend. „Die Tiere nehmen kleinste Erschütterungen wahr und ziehen sich dann zurück. Außerdem verschwenden Kreuzottern ihr Gift nicht gerne, sie setzen es bei den meisten Verteidigungsbissen kaum oder gar nicht ein. Sie beißen daher nur zu, wenn sie sich massiv bedroht fühlen oder berührt werden.“

    Beruhigend auch, dass die meisten Vergiftungen nach einem Kreuzotterbiss nicht lebensbedrohlich sind. Das Gift verursacht aber Schmerzen, Schwellungen, lokale Blutungen, Übelkeit oder Kreislaufschwäche. Nach einem Biss sollte man daher Ruhe bewahren, was wahrscheinlich leichter gesagt, als getan ist. Auf keinen Fall sollte man den gebissenen Arm oder das Bein abbinden, die Bissstelle aussaugen oder aufschneiden.

     

    Kältestarre

    Was auch immer es war, was bei der Wanderung von mir weggeschlängelt ist…. Ich bin froh, dass ich es nicht so genau weiß. Bei Winterwanderungen werde ich keiner Kreuzotter begegnen, denn die ziehen sich in ihre unterirdischen Winterquartiere zurück, wo sie bis in den März bei einer Körpertemperatur von wenigen Grad Celsius im Boden in Kältestarre verharren.

    Zur Person:

    Esther del Val Alfaro ist seit 2015 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich „Ökologisches Monitoring, Forschung und Artenschutz“ im Nationalpark Schwarzwald tätig. Foto: © Winfried Rothermel

    Das Verständnis und der Schutz unserer heimischen Artenvielfalt liegt ihr sehr am Herzen. An ihrer Arbeit im Nationalpark schätzt sie, dass sie ihr als Wissenschaftlerin die Möglichkeit bietet, einerseits die Veränderungen durch natürliche Prozesse zu beobachten, zu dokumentieren und zu verstehen und andererseits durch praktischen Naturschutz seltene und bedrohte Arten aktiv zu fördern.

    „Ich bin Zoologin und obwohl mein Schwerpunkt in der Ornithologie liegt, interessiere ich mich auch sehr für andere Wirbeltiere. Ich finde, dass nicht nur Kreuzottern, sondern Schlangen im Allgemeinen sehr faszinierende Tiere sind. Sie sind nicht nur schön, elegant, kraftvoll und effizient, sondern auch evolutionär sehr erfolgreich. Dank ihrer erstaunlichen Anpassungsfähigkeit kommen sie heute in den unterschiedlichsten Lebensräumen der Welt vor.“

     

    2 Kommentare

    15.01.2024 um 12:11 Uhr von Gast:

    Das Geschlängel in unseren Breiten!
    Wieder ein sehr informativer, wunderbar locker verfasster Beitrag, der mich zudem ganz persönlich begeistert! Denn ich war in Marokko häufig mit den Schlangenbeschwörern der Aissawa unterwegs und habe sie auch nach Deutschland zu mir eingeladen. Bei diesem Besuch habe diese Schlangenexperten sogar am sehr mit Wein kultivierten Tuniberg Schlangen gefunden, die wir natürlich völlig übersehen hätten. Vielen Dank für diese schönen Beiträge!
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    15.01.2024 um 15:02 Uhr von Gast:

    Die Kreuzotter
    Mir geht's da wie der Autorin vor dem Verfassen des Textes. Ich weiß eigentlich nichts über die Kreuzotter. Jetzt aber, nach der Lektüre! Besten Dank für den informativen Beitrag.
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    Iris Lemanczyk

    Bloggt im Auftrag der Nationalparkverwaltung aus dem Nationalpark Schwarzwald.

     

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