Anderes Klima, andere Arten?

14.11.2022 von Dr. Marc Förschler, Dr. Flavius Popa, Dr. Jörn Buse, Dr. Christoph Dreiser in Kategorie : Nationalparkforschung
  • Auswirkungen des Klimawandels auf die Arten des Nationalparks

    Höhenrekorde der Monatsmitteltemperaturen werden in immer kürzeren Abständen gebrochen, Trockenperioden werden immer häufiger und dauern länger, geschlossene Schneedecken halten sich selbst im Nationalpark nur noch selten über mehrere Wochen. Es ist unverkennbar: Das Klima ändert sich. Da die meisten Organismen jeweils in einem bestimmten Temperatur- und Feuchtebereich optimal angepasst sind und sich damit gegen Konkurrenten behaupten können, verschieben sich mit den Klimazonen auch die Lebensräume. Manche Arten profitieren davon, für andere wird das Überleben schwierig bis unmöglich. 

    Wenn die eher wärmeliebende Arten jetzt aus den Tallagen nach oben drängen, können die an die Kälte angepasste Arten in einem Mittelgebirge wie dem Schwarzwald nicht - wie in einem Hochgebirge - beliebig nach oben ausweichen. Die besiedelbaren Areale für diese Arten werden daher immer kleiner.

    Gewinner und Verlierer des Klimawandels im Nationalpark Schwarzwald

    Die Auswirkungen der Veränderungen für Flora und Fauna sind bisher nur im Ansatz greifbar. Eine Gruppe, die bereits jetzt schon besonders schnell und stark auf die Veränderungen reagiert, sind die Insekten. So konnte sich beispielsweise die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) in kurzer Zeit auf den Grindenflächen des Nationalparks etablieren (Abbildung) und auch die Gottesanbeterin (Mantis religiosa) wurde in den letzten Jahren mehrfach in den Herbstmonaten beobachtet. Dauerhaft haben sich auch mehrere wärmeliebende Dungkäferarten wie Onthophagus taurus, Euoniticellus fulvus und Coprimorphus scrutator auf den beweideten Grinden zwischen 900 und 1.000 m Höhe in den letzten Jahren etabliert.

     

     

    Ob im Gegenzug die Vorkommen von Arten, die an feuchtkühle Bedingungen angepasst sind, weiter zurückgehen oder verschwinden, kann noch nicht abschließend geklärt werden. Bei einigen ist diese Entwicklung aber sehr wahrscheinlich. Hierzu zählen die Alpine Gebirgsschrecke (Miramella alpina) (Abbildung), die Alpen-Smaragdlibelle (Somatochlora alpestris), der Gelbbindige Mohrenfalter (Erebia meolans) oder auch einige Laufkäferarten wie der Bergwald-Laufkäfer (Carabus sylvestris).

    Auch bei den Vögeln ist seit einiger Zeit eine Verschiebung von Brutvorkommen erkennbar. So sind einst ausschließlich in tieferen Lagen vorkommende Arten wie Wendehals (Jynx torquilla), Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola) und ausnahmsweise sogar Orpheusspötter (Hippolais polyglotta) in den Hochlagen des Nordschwarzwaldes als Brutvögel anzutreffen. Ein teilweise dramatischer Rückgang zeichnet sich hingegen bei anderen Charakterarten wie Alpen-Ringdrossel (Turdus torquatus alpestris) (Abbildung), Wiesenpieper (Anthus pratensis) oder auch dem Auerhuhn (Tetrao urogallus) ab. Der ehemals häufige Zitronenzeisig (Carduelis citrinella) ist sogar nahezu ganz aus dem Nordschwarzwald verschwunden und droht mittelfristig im ganzen Schwarzwald auszusterben.

    Bei allen diesen Arten sind es vor allem Veränderungen in den Lebensräumen, die für den Rückgang verantwortlich sind. Der Klimawandel wirkt hier aber oft als Brandbeschleuniger durch Brutausfälle aufgrund von Starkregenfällen oder extremen und damit unberechenbaren Witterungsschwankungen, Veränderungen im Wachstum und der Zusammensetzung der Vegetation und das Fehlen von wichtigen Nahrungsquellen aufgrund von langen Trockenphasen.

    Bisweilen wenig beachtet, aber besonders von den Klimaveränderungen betroffen sein könnten die nivicolen Schleimpilze. Die Arten sind, wie der Name bereits andeutet, an das Leben in der Schneeschmelze gebunden. Sie kommen außerhalb der Alpen noch in den höheren Lagen der Mittelgebirge vor. Auch im Nationalpark sind diese Arten in den höheren Lagen mit über zehn Arten vertreten. Für die Entwicklung benötigen sie über mehrere Monate eine liegende Schneedecke, unter der eine relativ stabile Temperatur herrscht. Neben häufigen Arten wie Lamproderma ovoideum (Abbildung oben), sind auch sehr seltene Arten, wie Lamproderma lycopodiicola (Abbildung unten) im Gebiet nachgewiesen.

    Wenn sich die klimatischen Bedingungen, z. B. durch weniger Schneefall oder stärkere Temperaturschwankungen, und einem damit verbundenen Abtauen der Schneedecke verändern, kann sich das auf das Vorkommen dieser Arten negativ auswirken. In Verbindung mit dem noch geringen Wissen über diese hochangepassten Arten würde dies einen großen Verlust darstellen.

     

    Förschler, M., J. Buse, C. Dreiser, F. Popa & C. Richter (2021): Der Nationalpark Schwarzwald und seine Arten im (Klima-)wandel – In: Naturschutz-Info 1/2021 + 2/2021
     

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