Besuchende im Nationalpark – wie viele kommen wann?

09.12.2024 von Dr. Dominik Rüede in Kategorie : Nationalparkforschung
  • Als Nationalpark wollen wir wissen, wie viele Menschen den Nationalpark Schwarzwald besuchen. Das ist z. B. wichtig für die Planungen der Touren und Dienstpläne des Ranger-Teams. Bei uns gibt es sehr viele Möglichkeiten über Wanderwege oder von Parkplätzen aus in den Nationalpark zu kommen. Es gibt also nicht den einen Hauptzugang ins Gebiet, sondern sehr viele Zugänge, was die Abschätzung herausfordernd macht. Ich stelle euch jetzt vor, wie wir die Daten von fest installierten Zählgeräten mit den Daten von Besucherzählungen kombinieren, um Abschätzungen zum Besuchsaufkommen zu machen.

    Datenquelle 1: Zählgeräte, die fest installiert sind

    Zur Abschätzung des Besuchsaufkommens haben wir aktuell an zwölf Standorten jeweils ein Zählgerät platziert (siehe Abbildung 1). Die Geräte sind dabei im Nord- und Südteil des Nationalparks gut verteilt. Wir haben darauf geachtet, dass sehr bekannte Punkte, wie z.B. der Lotharpfad, der Luchs- und Wildnispfad sowie die Wasserfälle Allerheiligen abgedeckt sind. Zudem ist wichtig, dass wir die verschiedenen Nutzungsarten über alle Jahreszeiten abdecken (z.B. auch die Loipennutzung im Winter).

    Wie zählen die Geräte eigentlich?

    Die Zählgeräte haben einen Wärmesensor verbaut. Das Gerät merkt also aufgrund unserer Körpertemperatur, dass jemand vorbeigegangen ist. Das klappt sogar im Winter mit der dicken Jacke und auch bei Hitze im Sommer. Das Gerät registriert zudem auch, in welche Richtung man gelaufen ist. Die zwölf fest installierten Geräte liefern uns ganzjährig Zahlen, aber eben nur an diesen zwölf Standorten. Um ein umfassenderes Bild des Besuchsaufkommens zu erhalten, werden darüber hinaus noch mehr Daten benötigt. 

    Datenquelle 2: Besucherzählungen mit vielen helfenden Händen

    An ausgewählten Tagen im Jahr haben wir Besucherzählungen durchgeführt (siehe Abbildung 2). Dafür haben wir an bis zu 72 Punkten im Nationalpark Besuchende gezählt. Damit haben wir noch immer nicht alle Zugänge abgedeckt, aber schon sehr viele und deutlich mehr als die 12 Standorte der Zählgeräte. Das Ganze ist in der Vorbereitung und Durchführung natürlich sehr aufwändig und deshalb haben wir es seit Gründung des Nationalparks auch erst vier Mal gemacht. Wenn wir nun die Zugänge an den bis zu 72 Zählpunkten zusammenrechnen, bekommen wir eine recht genaue Zahl der Besuche.

    Jetzt sagen wir mal, es wurden 4.000 Besuchende bei der Besucherzählung an den 72 Punkten gezählt und der Blick in die Daten der zwölf Zählgeräte zeigt für den gleichen Zeitraum 2.000. Dann wissen wir, dass an dem Tag doppelt so viele Besuche stattgefunden haben als mit den Zählgeräten erfasst wurden. Nehmen wir nun an, dass dieses Verhältnis über das Jahr an jedem Tag einigermaßen konstant ist, dann können wir mit den Daten der Zählgeräte eines Jahres und dem errechneten Multiplikator das gesamte Besuchsaufkommen eines Jahres abschätzen.

     

    Die Frage der Kalibierung

    Aber zählen die Zählgeräte überhaupt genau und richtig? Da sind wir dann bei der Frage der Kalibrierung. Die Zählgeräte können z. B. zwei parallel durchlaufende Personen nicht als zwei Personen erkennen und auch sonst kann es zu Über- oder Unterzählungen kommen. Aber wie schlimm ist das? Falls es schlimm wäre, müssten wir Korrekturfaktoren ermitteln (z. B. bei 130 durchgegangen Personen, die 100 Zählungen im Gerät auslösen, mit dem Faktor 1,3 weiterrechnen).

    Wir sind dieser Frage insgesamt fünf Mal nachgegangen. Vier Mal während der oben beschriebenen Besucherzählungen und noch einmal in einer zusätzlichen Aktion. Bei jeder der fünf Zählungen wurden für alle Zählgerätestandorte zusammen zwischen 94 Prozent und 115 Prozent der händisch erfassten Personen mit dem Gerät erfasst. Für alle fünf Zählungen zusammen wurden 16.219 Durchgänge händisch erfasst und 16.110 Durchgänge durch die Zählgeräten verzeichnet, d. h. betrachtet man alle Standorte zusammen ist die Genauigkeit sehr hoch. Deshalb verwenden wir keine Korrekturfaktoren.

     

    Berechnung

    Kann man dann einfach so mit den Daten der Zählgeräte rechnen?

    Leider nein, denn es passiert im Laufe eines Jahres immer mal wieder, dass über eine gewisse Zeit ein Zählgerät ausfällt (z. B. aufgrund eines technischen Defekts oder einer leeren Batterie). Dann hat man keine Daten, obwohl man weiß, dass Besuchende unterwegs waren. Oder es kann sein, dass Wasser in das Zählgerät kam, was zu sehr hohen Fehlzählungen führte, die total unrealistisch sind. Dann hat man sehr hohe Zahlen, aber weiß, dass weniger Besuchende unterwegs waren.

    Für beide Fälle – also zu wenig erfasst oder zu viel erfasst - kommen wir dann zu dem Schluss, dass die Daten nicht plausibel sind und ersetzt werden müssen. Dafür haben wir ein Verfahren entwickelt, welches basierend auf den Daten eines Jahres den Tageswert jedes Standorts abschätzt. Dabei fließt ein, wie hoch das Besuchsaufkommen an den anderen Standorten war. Auch werden Wetterverhältnisse sowie Kalenderdaten wie Wochentag und Jahreszeit berücksichtigt. Sind alle unplausiblen Werte ersetzt, kann es an die Auswertung gehen.

    Ergebnisse

    Ein zentrales Ergebnis ist natürlich die Abschätzung des Besuchsaufkommens für das gesamte Jahr. Die Ergebnisse geben wir als "Besuche" an. Warum Besuche und nicht Besucherinnen und Besucher? Was ist denn da der Unterschied? Wenn z.B. eine Person an einem Tag zuerst den Lotharpfad läuft und danach mit dem Auto zu den Wasserfällen Allerheiligen fährt, um dort auch noch eine Rundtour zu laufen, dann löst diese eine Person zwei Besuche aus.  Aber es geht auch detaillierter:

    So können wir z.B. auch Aussagen über die Verteilung je Monat (Abbildung 3) oder Wochentag (Abbildung 4) machen.

    Interessant sind zudem auch die relativen Anteile der Standorte. Abbildung 5 zeigt, dass gerade wenn Schnee liegt, bestimmte Standorte, die sonst wenig frequentiert sind, auf einmal eine sehr hohe Bedeutung bekommen.

    Entwicklung über die Jahre

    Das bisher beschriebene Vorgehen setzen wir so seit Mitte 2018 ein und wollen daran möglichst wenig verändern, sodass wir auch Vergleiche über die Jahre ermitteln können. Schauen wir uns die Entwicklung der letzten Jahre an, so fällt auf, dass vor allem in 2020 und auch noch in 2021 deutlich mehr los war als davor und danach. Woran liegt's? Richtig, Corona. Zu der Zeit gab es einen deutlichen Anstieg der Besuchszahlen, der auch wieder zurückging, als man dann wieder mehr durfte als spazieren zu gehen. Zu den Spitzenzeiten waren es über 1 Millionen Besuche pro Jahr, gestartet sind wir mit 778.000 Besuchen und für den letzten Zeitraum von Mitte 2023 bis Mitte 2024 schätzen wir 760.000 Besuche.

    Über die Jahre hinweg sehen wir auch relative Verschiebungen im Nationalpark. Zu Beginn der Zählungen war nämlich der Lotharpfad mit rund 100.000 Besuche/Jahr am besten besucht. Zwischenzeitlich waren die Wasserfälle Allerheiligen mit gut 100.000 Besuche/Jahr vorne dran und nun wird es spannend zu sehen, welchen Einfluss der kürzlich eröffnete Spechtpfad beim Lotharpfad auf dieses Kopf-an-Kopf-Rennen um den meistbesuchten Ort im Nationalpark hat.

     

    Ausblick

    Zuletzt als Ausblick auf einen noch folgenden Blogbeitrag, die Abschätzung der regionalökonomischen Effekte des Nationalparks. Dort fließen die hier ermittelten Besuchszahlen, mit Angaben zum Ausgabeverhalten der Besuchenden, aus Besuchsbefragungen und weiteren ökonomischen Daten so zusammen, dass wir als Nationalpark Schwarzwald Abschätzungen machen können, wieviel Wertschöpfung und Beschäftigung durch den Nationalpark Schwarzwald in die Region kommt – eine nicht ganz unwesentliche Zahl für all diejenigen, die den Nationalpark nicht schon aufgrund seiner Aufgabe im Naturschutz für gut befinden, sondern denen vor allem die wirtschaftlichen Kennzahlen am Herzen liegen.

     

    Link zu einer Präsentation zur Abschätzung des Besuchsaufkommens

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    Dominik Rüede

    Dr. Dominik Rüede

    Koordination sozialwissenschaftliche Forschung
    Regionale Entwicklung, Besuchermonitoring und sozioökonomisches Monitoring

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