Auerhuhnschutz durch Waldweide
Neue Wege im Auerhuhnschutz: die Wiederaufnahme der Waldweide als Rettungsring?
Ursprünglich war das Auerhuhn in ganz Mitteleuropa verbreitet. Heute dagegen gibt es nur noch Restvorkommen in den Hochlagen des Schwarzwaldes, des Bayerischen Waldes und der Alpen. Durch die zunehmende Ausbreitung ungeeigneter Wälder sind selbst diese kleinen und isolierten Reliktpopulationen in ihrem Fortbestand stark gefährdet - und dies, obwohl die Waldfläche in Mitteleuropa zunimmt und damit zumindest theoretisch potenziell mehr Lebensraum für das Auerhuhn zur Verfügung stehen müsste. Gründe dafür sind die anhaltenden anthropogenen Veränderungen unserer Wälder, insbesondere die für das Auerhuhn und andere Arten ungeeignete intensive, rein wirtschaftlich orientierte Waldnutzung und das weitgehende Fehlen großer Pflanzenfresser.
Wenn nicht bald ein Umdenken stattfindet und die evolutionären und ökologischen Ansprüche des Auerhuhns nicht in ihrer Gesamtheit wieder effektiv berücksichtigt werden, ist trotz aller Bemühungen und Schutzprogramme mit dem völligen Verschwinden des Auerhuhns in Mitteleuropa zu rechnen.

Ein Rückblick in der Vergangenheit
Seit Jahrtausenden durchstreifen unsere Auerhühner die Landschaften Mitteleuropas. Auch die heute ausgestorbenen Wildpferde, Wisente, Elche oder Auerochsen waren einst in diesem Ökosystem weit verbreitet und beeinflussten Strukturen und Lebensräume durch ihre Aktivität maßgeblich. Sie gestalteten ein Wald-Offenland-Mosaik, geprägt von lichten, lückigen und vielfältig strukturierten Teillebensräumen, die für das Auerhuhn gut geeignet waren.
Mit dem Verschwinden der letzten großen wildlebenden Pflanzenfresser, mit Ausnahme des heute seltenen Rothirsches, wurden die mitteleuropäischen Wälder bis ins 19. Jahrhundert verstärkt für die Viehhaltung des Menschen und zur Streugewinnung genutzt. Die dabei entstandenen lichten Weidewälder ähnelten den ursprünglichen, natürlichen Wäldern und boten dem Auerhuhn daher geeignete Sekundärlebensräume.
Im 20. Jahrhundert wurde diese Form der Waldnutzung jedoch im Zuge der künstlichen Trennung von Wald und Offenland fast vollständig aufgegeben. Die Wälder wurden in der Folge dichter und dunkler und die Vielfalt lichtliebender Arten nahm in der Konsequenz immer mehr ab. Um die Fichtenproduktion zu optimieren, wurden zudem wichtige Auerhuhnlebensräume wie lichte, kiefernreiche Moore und staunasse Waldgebiete systematisch umgebaut und entwertet. Alle diese Veränderungen führten schließlich zu einem katastrophalen Rückgang der Auerhuhnbestände.
Die gezielte, „naturnahe“ Wiederaufnahme der Waldweide
Um überhaupt wieder geeignete Auerhuhnlebensräume zu schaffen und deren Entwicklung zu beschleunigen, sind heute gezielte maschinelle und manuelle Pflege- und Wiedervernässungsmaßnahmen notwendig. Dabei muss künftig auch die wesentliche Bedeutung von großen Pflanzenfressern für die Erhaltung und die Förderung des Auerhuhns konsequent berücksichtigt und integriert werden. Denn große Weidegänger fehlen derzeit entweder ganz, wie z. B. Wildrinder, oder kommen aufgrund des hohen Jagddrucks in freier Wildbahn nur noch in so geringen Dichten vor, dass sie ihre natürliche Rolle als Ökosystemgestalter nicht mehr wahrnehmen können, wie z. B. der Rothirsch.
In den noch verbliebenen und wiederherzustellenden Auerhuhngebieten muss daher einerseits der Jagddruck drastisch reduziert werden. Zum anderen müssen wieder großflächig extensive Waldweiden eingerichtet werden. Denn nur mit Großherbivoren-Gemeinschaften aus domestizierten Arten wie robusten Rinder- und Pferderassen, unterstützt durch wildlebende Pflanzenfresser wie Rothirsch, Reh, Gams und wo möglich auch Wisent, können wieder ökologisch wirksame Wilddichten erreicht und damit auch das Auerhuhn wieder effektiver geschützt werden.
Erst wenn es durch diese Maßnahmen gelingt, großflächig wieder lichte Wälder mit spärlicher Verjüngung zu schaffen, können die isolierten Restvorkommen des Auerhuhns in Mitteleuropa überhaupt gesichert, wieder miteinander vernetzt und vor dem Aussterben bewahrt werden.
Kürzlich erschienene Publikationen zum Thema:
Auerwild profitiert von Beweidung und Verbiss. 2025. Thomas Asch, Fabian Anger, Markus Handschuh, Raffael Kratzer und Marc I. Förschler. Der Anblick 4/2025: 17-20. https://www.researchgate.net/publication/391586565_Auerwild_profitiert_von_Beweidung_und_Verbiss
Huhn sucht Hirsch. 2025.Thomas Asch, Fabian Anger, Markus Handschuh, Raffael Kratzer und Marc I. Förschler. Wild und Hund 8/2025: 903-908. https://www.researchgate.net/publication/391587391_Huhn_sucht_Hirsch
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