Neulich bei der wilden Bande: Tilly erklärt das Artensterben

28.10.2025 von M.Sc. Ulrike Unser in Kategorie : WibiDigi
  • Lotta erinnert sich: Ortlieb der Auerhahn – kräftig gebaut, breite, blaugrün schillernde Brust, roter Lidschatten und Ziegenbärtchen - ein echt bunter Vogel! Und jetzt ist er nicht mehr aufzufinden. Einfach weg.

    Seit Jahren suchte er nach einer Auerhenne zwecks Familiengründung. Schwierig! Nur noch wenige weibliche Auerhühner gab es überhaupt im Wilden Wald. Und anderswo schon gar nicht mehr. Hier im Nationalpark Schwarzwald sind nämlich die letzten Rückzugsgebiete des so extrem selten gewordenen Hühnervogels. Aber lest doch selbst, was Ursache des Verschwindens sein könnte und wie Tilly der Lotta das Artensterben erklärt:

    Tilly, Tilly, ich kann Ortlieb einfach nicht finden! Egal wo ich im Wilden Wald nach ihm suche! Seit einem halben Jahr hat ihn keiner mehr gesehen. Auch von den wenigen anderen Auerhühnern fehlt gerade jede Spur. Weißt du, was hier passiert ist?

    Oh liebe Lotta, das ist eine traurige Nachricht – nicht nur Ortlieb fehlt – viele Tier- und Pflanzenarten sind weltweit bedroht und diese Bedrohung ist meist menschengemacht! Umweltverschmutzung, eingeschleppte Arten, Klimaerwärmung, Übernutzung von Gebieten, gefährden die ursprüngliche Artenvielfalt.

    Wir befinden uns heute im größten Artensterben seit langer Zeit. Das letzte große Massensterben war in der Dinosaurierzeit vor 65 Millionen Jahren. Jede achte Vogelart, ein Viertel der Säugetierarten, 30 Prozent der Haie und Rochen sowie 40 Prozent der Amphibienarten brauchen dringend Schutz!

    Aber Ortlieb lebte doch in unserem Wilden Wald – einem Schutzgebiet, dem Nationalpark Schwarzwald?

    Was das betrifft, so hatte Ortlieb Glück, denn die meisten bedrohten Arten leben nicht in Schutzgebieten. Aber du weißt ja selbst – er wollte, aber konnte keine Familie gründen, weil er schon recht alt war und es einfach schon zu wenig Auerhennen gab. Die wenigen die auch hier noch waren, waren seine Schwestern und Tanten. Eine wildfremde Auerhenne fand er leider nie. Sind zu wenige Individuen einer Art in einer Population, dann ist der so genannte genetische Pool zu klein für eine Fortpflanzung. Die Art stirbt früher oder später aus.

     

    Mensch Tilly - langsam! Was ist denn eine Population?

    Eine Population? Das ist eine große Gruppe, die lebt in einem bestimmten Gebiet. Alle Individuen einer Art – also Gottfried, Ortlieb die ganze Auerhuhnbande dieses Gebietes - gehören zur Population der Auerhühner im Nationalparkwald.

     

    Und, was hat ein Pool jetzt mit dem Aussterben einer Population zu tun?

    Stellt dir einfach einen echten Pool vor – gefüllt mit lauter bunten Bällen: Ein Bällebad. Je mehr Farben, desto mehr Erbanlagen – also Gene - existieren innerhalb der Population. Je mehr Erbanlagen, desto „robuster“ ist die Population einer Art sozusagen und kann sich an Veränderungen der Umwelt anpassen. Denn sie hat viele unterschiedliche Farb-Variationen, welche sie an Nachkommen vererben kann. Je näher verwandt die Tiere sind, desto ähnlichere Farbtöne vererben sie. Je fremder die Tiere sich sind, desto bunter wird das Bällebad.

    Aha. Dann ist die Auerhuhnpopulation im Nationalpark Schwarzwald wohl eher schon langweilig eintönig und hat nicht mehr alle Farben des Regenbogens?

    Erkannt - genauso ist es!

     

    Und mit Ortliebs verschwinden, ist jetzt womöglich der Erhalt der gesamten Auerhahnpopulation des Nationalparks bedroht?

    Richtig! Deshalb startete nun auch der Notfallplan Auerhuhnschutz im Wilden Wald. Störungen durch den Menschen sollten reduziert werden durch so genannte Wildruhebereiche und Rothirsche aber auch zeitweise eingesetzte Schafe durch das Fressen von Heidelbeersträuchern dazu gebracht werden, den Lebensraum der Auerhühner offen zu halten.

    Doch das Artensterben gab es auch schon einmal vor Millionen von Jahren hattest du erzählt? Da gab es doch noch gar keine Menschen, die dies verursacht haben?

    Das Aussterben von Arten ist erstmal ganz natürlich! Der Einfluss des Menschen heute macht das jedoch schneller und schneller.

     

    Und irgendwann ist die Welt nicht mehr bunt und vielfältig, sondern nur noch grau. Dann fehlen nicht nur Ortlieb sondern auch du Tilly und ich?

    Leider Lotta, weil alle Waldbewohner miteinander in einem Nahrungs-Netz verbunden sind. Ein Nahrungsnetz zeigt, wer im Wald, wen oder was frisst – also ein Netz aus Tieren und Pflanzen und Pilzen im Wald.

     

    Also etwa wie ein Fischernetz? Es zeigt alle Fäden und entsteht, wenn man sie untereinander verbindet und verknotet?

    Ganz genau! Im Nahrungsnetz etwa wachsen Gras und Kräuter auf der Waldlichtung. Die Hirschkuh Suna frisst davon. Sie ist ein Pflanzenfresser. In Gedanken kannst du dir also ein Seil vorstellen, dass diese miteinander verbindet. Aber es gibt auch Tiere, die Fleischfresser sind – wie ein Luchs oder Wolf. Jetzt verknüpfst du die Hirschkuh über ein Seil mit dem Wolf und ein anderes Seil knüpfst du zusammen mit dem Luchs. Das machst du mit allen Lebewesen des Waldes. Es gibt’s auch noch Lebewesen, die Pflanzen und Tiere zum Fressen gern haben – wie Fips der Fuchs.

     

    Oha, und da du Mäuse, Frösche und kleine Vögel frisst, bist du ein Fleischfresser und stehst wohl ziemlich weit oben in der Nahrungskette?

    Genau - ich bin eine sogenannte Endverbraucherin - wie auch der Mensch. Aber auch Teil der Nahrungskette. Denn sterbe ich, zersetzen mich Pilze, Bakterien und Insekten knabbern. Alles wird in Nährsalze und Mineralstoffe verwandelt, die wiederum die Pflanzen zum Leben brauchen. Und, dann beginnt wieder alles von vorne.

     

    Also hängt wirklich alles im Wald miteinander zusammen – von der kleinsten Ameise bis zum großen Hirsch?

    Ganz richtig, Lotta!

    Und nicht nur zusammenhängend – auch voneinander abhängig sind wir alle! Denn wen einer fehlt im Nahrungsnetz, kracht das irgendwann zusammen. Gibt es keine Mäuse mehr, habe ich weniger zu fressen. Dann geht es mir also auf Dauer auch nicht gut und ich komme vielleicht nicht durch den kalten Winter.

     

    Oh Tilly, das will ich nicht – auch wenn die Vorstellung schon etwas gruselig ist, dass du Mäuse frisst. Zum Glück bin ich ja eine fast erwachsene Gartenschläferin und damit zu groß für dich.

    Und die Menschenart, wird die das Überleben?

    Tja, eine gute Frage! Ohne Artenvielfalt verlieren die Menschen früher oder später alle Nahrungsnetze weltweit. Und, damit alle Dinge, die ihnen die Natur schenkt und sie zum Überleben brauchen – Nahrung, Medizin, sauberes Wasser zum Trinken und saubere Luft zum Atmen.

     

    Ich bin entsetzt! Und jetzt?

    Wir brauchen Schutzmaßnahmen! Artenschutz, Gebietsschutz, oder eben auch der Auerhahnschutz-Notfall-Plan wie im Nationalpark Schwarzwald. Auch Naturschutz in den Gärten der Menschen kann schon helfen.  Denn, auch wenn es nur kleine Dinge sind, die wir täglich für den Naturschutz tun, können viele kleine Dinge – getan von vielen Händen – letztlich Großes bewirken!

    Also Tilly - ich mach mit und hab hier Tipps für die Kids Zuhause - Naturschutz und Upcycling! Danke dir und Tschüssikowski!

    Kommentare

    Aktuell sind noch keine Kommentare vorhanden.

    Hinterlasse uns einen Kommentar:

    Verbleibende Zeichen: 600

    Zurück

    Zur Person

    Ulrike Unser

    M.Sc. Ulrike Unser

    Besucherinformation
    Natur & Wildnisbildung

    ulrike.unser@nlp.bwl.de

    #WIBIDIGI-NEWSLETTER

    Bleibe mit der Wildnisbildung und dem Nationalpark Schwarzwald auf dem Laufenden. Etwa vier Mal im Jahr findest du in unserem #WibiDigi-Newsletter Anregungen, Mitmachaktionen und Tipps für zu Hause.
     

    Jetzt anmelden